Welche Digitalisierungspläne haben Banken, wenn es um Firmenkunden geht? Manche Banken wollen sich hier nicht in die Karten schauen lassen. Während allgemein bei Privatkunden schon zahlreiche Angebote wie Bezahl-Apps oder Onlinehypotheken auf dem Markt sind, scheint es bei Firmenkunden weniger rasant zu gehen. Mehrere befragte Banken möchten zum Stand der Dinge betreffend Digitalisierung im Firmenkundengeschäft lieber keine Auskunft geben.  

„Das Thema ‚Digitalisierung im Bankgeschäft‘ ist auch bei der St. Galler Kantonalbank aktuell. Auf dem heutigen Stand und spezifisch zum Firmenkundengeschäft möchten wir jedoch auf ein Interview oder einen Blogpost verzichten“, schreibt beispielsweise Adrian Kunz, Leiter des Generalsekretariates bei der SGKB. Kürzer fasst sich Mediensprecher Franz Würth von Raffeisen: „Wir möchten im Moment auf ein Interview verzichten“, lässt er wissen. Und auch bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank besteht keine Auskunftsfreude. „Wir möchten momentan von einer Teilnahme absehen“, schreibt Nadia Schwarz von der Medienstelle.  

Experte sieht noch grosses Potenzial für Banken und KMU

Was heisst das nun? Wird im stillen Kämmerlein unter Hochdruck an disruptiven Tools gewerkelt? Oder soll im Firmenkundengeschäft alles beim alten bleiben? Prof. Dr. Bernhard Koye, Institutsleiter des Schweizerischen Instituts für Finanzausbildung an der Kalaidos FH, hat seinerseits klare Vorstellungen, was die Digitalisierung im Firmenkundengeschäft für Banken und Unternehmen bedeuten könnte.  

Aus seiner Sicht ist im Firmenkundengeschäft der Druck auf die Schweizer Banken aktuell noch nicht so gross wie im Privatkundengeschäft, in dem viele moderne internetbasierte Optionen angeboten werden, so dass die Banken hier zu konsequenten Reaktionen gezwungen sind. Viele KMU sind ferner technologisch mit ihren Systemen noch nicht vollkommen modernisiert, so dass hier weniger Druck entsteht. Im Zahlungsverkehr als Basisdienstleistung ist jedoch bei fast allen Schweizer Banken bereits ein hohes Niveau an Digitalisierung gegeben. Dieser Hygienefaktor funktioniert fast vollautomatisiert zur Zufriedenheit der Firmen.  

Just-in-time auch für Cashflow und Kreditplanung von KMU

Grundsätzlich gilt laut Koye jedoch, dass der Modernisierungs- und Margendruck auf die exportorientierten Firmen jede Effizienz- und Effektivitätsverbesserung als sehr hilfreich erscheinen lässt – also für Banken auch Differenzierungspotenzial gegeben wäre. Der Bankenexperte glaubt, dass die komplette Automatisierung des finanziellen Cockpits einer Firma in Echtzeit im Grundsatz denkbar wäre – wenn beide Seiten dies technologisch vorantreiben würden.  

Seiner Meinung nach könnte die Cash-Flow- und Kreditplanung in einen ‚Just-in-time‘-Modus hineinentwickelt werden, der auf der Basis objektiver Informationen auch ein anonymisiertes Benchmarking gegenüber anderen Firmen erlaubt und so einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess ermöglicht. Aufgrund der Bestrebungen vieler Firmen, die Wertschöpfungskette zu straffen und den Kapitaleinsatz zu optimieren, wäre hier ein nicht unerhebliches Effizienzsteigerungspotenzial gegeben. Dieses würde aber zunächst hohe Anfangsinvestitionen bedingen, so dass nicht davon auszugehen ist, dass eine Bank oder wenige KMU als Vorreiter fungieren werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist für Koye die Wettbewerbsfähigkeit der Export-Firmen ein wesentlicher Faktor, so dass eine solche Initiative durchaus von hoher Bedeutung wäre.  

Vertrauens- und Partnerkultur muss geschaffen werden

Bei Firmenkunden ist ausserdem die genaue Abstimmung der finanziellen Massnahmen ein firmenindividueller Prozess, der auch einen hohen spezifizierten Beratungsanteil benötigt. Der analytische Rahmen dafür kann aber durch eine digitalisierte Basis deutlich in höherer Qualität geschaffen werden. Notwendig dafür wäre aber auch eine echte Vertrauens- und Partnerkultur zwischen den Banken und den Firmen auf Augenhöhe, in der eine gemeinsame Win-Win-Situation angestrebt wird und bei der die Banken die volkswirtschaftliche Verantwortung und die notwendige betriebswirtschaftliche Ausrichtung unter einen besser verzahnten Hut bringen könnten.  

Seitens der KMU würde dies dann auch die Bereitschaft zu einer echten Professionalisierung in Bezug auf die eigene finanzielle Führung und –Organisation sowohl prozessoral als auch kulturell voraussetzen. Nur dann könnten laut Koye die bedeutsamen volkswirtschaftlichen Potenziale der Digitalisierung beidseitig sinnvoll unterstützt werden.  

Facebook Twitter Xing LinkedIn WhatsApp E-Mail