Als Reaktion auf das Platzen der Immobilienblase in den Vereinigten Staaten und der anschliessenden Finanzkrise senkten die grossen Zentralbanken in den Jahren 2007 und 2008 kollektiv ihre Leitzinssätze in die Nähe der Nulllinie. Während sich die US-Wirtschaft relativ rasch wieder erholen konnte, fiel die Eurozone 2012/13 erneut in eine Rezession. Weil gleichzeitig durch negative Inflationsraten die Preisstabilität gefährdet schien und sich das Volumen der Unternehmenskredite immer weiter verringerte, entschied sich die Europäische Zentralbank im Juni 2014 den Zins für die Einlagen von Geschäftsbanken in einem ersten Schritt auf -0.1 Prozent zu senken. Damit sollte sowohl die Konjunktur angekurbelt als auch inflationären Preisdruck erzeugt werden. Zuvor hatten mit der dänischen und schwedischen Zentralbank geldpolitische Institutionen zweier kleinerer Volkswirtschaften erste Gehversuche im Negativzinsbereich unternommen. 

Mit der Schweizerischen Nationalbank entschied sich Ende 2014 die vierte Zentralbank dazu, Negativzinsen einzuführen. Ähnlich wie die dänischen senkten die Schweizer Zentralbanker die Negativzinsen allerdings nicht aufgrund einer konjunkturellen Schwäche, sondern um einer übermässigen Aufwertung der eigenen Währung entgegen zu wirken.

Negativzinsen durch Inflationsanstieg erst seit kurzem verstärkt spürbar

Die negativen Leitzinssätze in den erwähnten Ländern sind alle heute noch in Kraft. Der in dieser Zeit stattfindende Erdölpreisrückgang war einerseits ein Grund für die Einführung der Negativzinsen. Andererseits fielen die negativen Zinsen durch die sinkenden Preise weniger stark ins Gewicht. Da nur die wenigsten von den betroffenen Geschäftsbanken die Negativzinsen direkt an ihre Sparkunden weitergegeben haben, resultierte unter dem Strich für private Sparer trotz ausbleibender Verzinsung sogar ein Anstieg der realen Kaufkraft ihres Vermögens.

Wer ist schuld an den Negativzinsen?

Die Effekte des angesprochenen Erdölpreisrückgangs sind nun aber ausgelaufen. In den vergangenen Monaten ist es deswegen zu einem allgemeinen Anstieg der Inflationsraten gekommen. Auch weil kein unmittelbares Ende der Negativzinsperiode in Sicht ist, sorgt man sich in den betroffenen Ländern verstärkt um die Werthaltigkeit der eigenen Ersparnisse. Darüber hinaus fürchtet man sich zunehmend von einer Destabilisierung des Finanzsystems, weil vermehrt Geschäftsbanken überlegen, die Negativzinsen nun doch kleineren Sparern zu belasten. Zudem wird im anhaltenden Niedrigzinsumfeld die Nachhaltigkeit des auf dem Zinseszinseffekt aufbauenden Vorsorgesystems diskutiert. Vermehrt wird daher die Frage laut, wer denn eigentlich schuld ist an den Negativzinsen.

Negativzinsen durch Zentralbanken eine Frage der Zeit

Die Zentralbanken mögen mit ihrer expansiven Geldpolitik und der Einführung von Negativzinsen in den letzten Jahren die Entwicklung eines allgemein sinkenden Zinsniveaus leicht verstärkt haben. Doch es sind andere, viel grundlegendere Entwicklungen, die hinter dem längerfristigen Abwärtstrend des Zinsniveaus stecken und schlussendlich die Einführung von Negativzinsen nur zu einer Frage der Zeit haben werden lassen.

In einem zweiten Teil erfahren Sie, welche zwei Entwicklungen für den Zinsrückgang hauptverantwortlich sind und wie sich die Zinspolitik der Zentralbanken durch die Taylor-Regel bewerten lässt.

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