Verhalten und Psychologie Die Rolle von Risikowahrnehmung, Selbstwirksamkeit und Gewohnheiten
Lea Schlenker
Zu Beginn des Jahres machen sich viele Menschen über ihr Verhalten und ihre Gewohnheiten Gedanken. Einige nehmen sich gute Vorsätze zu Herzen, andere möchten sich ihre von sich aus wahrgenommenen negativen Eigenschaften abtrainieren. Doch guter Willen hin oder her – nicht immer reicht es aus, sich etwas fest vorzunehmen. Verhaltensänderung besteht aus diversen psychologischen Mechanismen wie Gewohnheiten, soziale Normen oder Wertvorstellungen und lässt sich zudem auch als Prozess verstehen. Psychologische Forschung spielt eine Rolle, wenn es darum geht, empirisch zu untersuchen, welche Faktoren eine Rolle bei der Verhaltensänderung spielen und wie Interventionen zur Verhaltensänderung sinnvoll und effektiv gestaltet werden können (Michie et al., 2011).
Die Rolle der Risikowahrnehmung
Zum einen spielt die Rolle der Risikowahrnehmung und das Bewusstsein für ein Problem eine grosse Rolle. Meist wird dieses Bewusstsein ausgelöst durch eine Diskrepanz zwischen den angestrebten Zielen und dem tatsächlichen Verhalten. Die Wahrnehmung von Risiken hängt aber auch stark davon ab, wie gefährlich etwas wahrgenommen werden. Beispielsweise kann es eine Rolle spielen, wie stark präsent und häufig vorkommend ein Risiko aufgenommen wird. Die Wahrscheinlichkeit eines Autounfalls wird als höher wahrgenommen, wenn jemand immer wieder mit dem Thema konfrontiert wird, unabhängig davon, wie hoch die tatsächliche Wahrscheinlichkeit dafür ist (Böhm & Tanner, 2019). Wenn beispielsweise in der Medienberichterstattung oft über die Gefahren eines Flugzeugabsturzes und weniger über die Gefahren einer Herz-Kreislauf-Erkrankung berichtet wird, wird ersteres als wahrscheinlicher wahrgenommen und es werden eher Massnahmen getroffen, sich dagegen zu schützen. Ebenso tendieren Menschen dazu, unrealistisch optimistisch zu sein, wenn es darum geht, Risiken für eigenes Verhalten wahrzunehmen (insbesondere, wenn sie weit in der Zukunft liegen). Das äussert sich dadurch, dass beispielsweise die Konsequenzen des Rauchens heruntergespielt werden und dann keine Verhaltensänderung angestrebt wird (Böhm & Tanner, 2019).
Wahrgenommene Selbstwirksamkeit
Nebst dem Bewusstsein für ein Problem braucht es allerdings auch den Glauben daran, dieses Problem auch lösen zu können. Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit ist der Glaube einer Person an ihre eigenen Fähigkeiten, eine Handlung auszuüben und ihr Verhalten zu steuern (Warner & French, 2020). Um sich ein gewünschtes Verhalten anzueignen oder ein ungewolltes Laster loszuwerden, ist diese Fähigkeit von grosser Bedeutung und trägt massgeblich zum Erfolg einer Verhaltensänderung und -aufrechterhaltung bei. Dabei gibt es verschiedene Strategien, um diese Fähigkeit zu entwickeln. Eine davon ist es, den Personen direkt die Möglichkeit zu geben, das Verhalten selbst ausüben oder bei anderen Menschen, die ähnlich sind, zu beobachten. Das kann mit Workshops oder niederschwelligen Angeboten geschehen, die dazu animieren, ein bestimmtes Verhalten auszuprobieren (Warner & French, 2020).
Die Macht der Gewohnheiten
Zuletzt spielen Gewohnheiten eine wichtige Rolle bei unserem täglichen Verhalten. Gewohnheiten haben einiges gemeinsam mit automatischen Verhalten. Entwickelt werden sie basierend auf sich immer wiederholenden Verhaltensabläufen zu spezifischen Situationen. Aus diesem Grund finden Gewohnheiten auch unabhängig von den eigentlichen Zielen einer Person statt. Wir möchten uns eigentlich gesünder ernähren, greifen aber dennoch immer wieder automatisch zum Schokoladenriegel. Gewohnheiten haben den Vorteil, dass sie effizient sind, wenig kognitive Ressourcen benötigen und schnell angewandt werden können. Der Nachteil ist aber, dass sie nicht flexibel sind und nicht leicht zu kontrollieren sind (Orbell & Verplanken, 2020). Es gibt allerdings auch Strategien, wie das eigene Verhalten mithilfe von Gewohnheiten verändert werden kann. Beispielsweise ist es wichtig, die Aktivierung des Verhaltens zu vermeiden, damit die ungewünschte Gewohnheit gar nicht erst auftritt. Das kann passieren, in dem die Umgebung so verändert wird, dass sie nicht mehr mit der antrainierten Gewohnheit zusammenpasst und diese somit nicht mehr automatisch aktiviert wird. Falls eine neue Gewohnheit antrainiert werden soll, macht es Sinn, diese in einen bereits routinierten Ablauf zu integrieren. Wer sich beispielsweise die Einnahme eines Medikaments angewöhnen muss, kann die Einnahme des Medikamentes beispielsweise in eine Morgenroutine (zum Beispiel vor dem Kaffee) integrieren (Orbell & Verplanken, 2020).
Schlusswort
Viele Aspekte können menschliches Verhalten beeinflussen. Die Änderung von schlechten Gewohnheiten ist aber leider nicht immer so leicht, wie wir es gerne hätten. Die psychologischen Mechanismen, die dahinter wirken, können jedoch identifiziert werden und zur Strategieentwicklung von Massnahmen genutzt werden.
Quellen und weiterführende Informationen
Böhm, G. & Tanner, C. (2019). Environmental Risk Perception. In: Steg, L., Berg, A. E. van den, & Groot, J. I. M. de.: Environmental Psychology. An Introduction (15 - 25). Chichester: Wiley- Blackwell.
Michie, S., Van Stralen, M. M., & West, R. (2011). The behaviour change wheel: a new method for characterising and designing behaviour change interventions. Implementation science, 6(1), 1 - 12.
Orbell, S., & Verplanken, B. (2020). Changing Behavior Using Habit Theory. In M. S. Hagger, L. D. Cameron, K. Hamilton, N. Hankonen, & T. Lintunen (Eds.), Handbook of Behavior Change, Cambridge Handbooks in Psychology (178 – 192). Cambridge: Cambridge University Press
Warner, L. M., & French, D. P. (2020). Self-Efficacy Interventions. In M. S. Hagger, L. D. Cameron, K. Hamilton, N. Hankonen, & T. Lintunen (Eds.), The Handbook of Behavior Change, Cambridge Handbooks in Psychology (461 – 478). Cambridge: Cambridge University Press.