Pflanzen und Erde Pflanzen und Erde
Unsere Umwelt wird von der Psychologie beeinflusst.

Durch Veränderungen in der Gesellschaft entwickeln sich stets auch neue Fragestellungen, die es wissenschaftlich zu untersuchen gilt. In der Psychologie ist das ganz besonders der Fall. Neue Disziplinen entstehen, die sich mit gegenwärtigen Herausforderungen des Menschen auseinandersetzen; sei es die Digitalisierung, sich wandelnde Arbeitsbedingungen oder demografische Veränderungen wie die Überalterung der Gesellschaft. Auch die Umweltpsychologie ist eine davon. Sie befasst sich mit den Wechselwirkungen des Menschen und seiner Umwelt (Hellbrück & Kals, 2012). Ein Kernthema davon ist auch die Forschung zu umweltfreundlichem Verhalten (Steg, Van den Berg & de Groot, 2019). Im Mittelpunkt stehen Fragen nach persönlichen Wertvorstellungen, dem Einfluss der Gruppe und dem subjektiven Empfinden von umweltschonendem Verhalten. 

Vom Wissen zum Handeln

Generell ist in der Bevölkerung die Annahme, dass ein hohes Wissen im Bereich umweltfreundliches Handeln automatisch auch zu entsprechendem Verhalten führt, weit verbreitet. Allerdings haben viele Interventionsstudien gezeigt, dass im Bereich des Umweltschutzes der Zusammenhang zwischen Wissen und klimafreundlichem Verhalten eher niedrig ausfällt (Abrahamse et al. 2005; Bamberg & Möser, 2007). Es reicht demnach nicht aus, die Menschen lediglich zu informieren, an welchen Stellen sie ihr Verhalten umwelttechnisch gesehen ändern sollten. Es benötigt andere Massnahmen, um umweltfreundliches Verhalten in der Gesellschaft zu etablieren – hier ist die Psychologie gefragt. Welche Theorien können aufgestellt und welche Konzepte im Alltag eingesetzt werden, um umweltfreundliches Verhalten langfristig zu fördern?

Nachhaltiges Verhalten und Wertvorstellungen

Unter Wertvorstellungen werden Prinzipien verstanden, die einem Menschen dabei helfen, sein Verhalten nach gewissen Richtlinien zu strukturieren (Schwartz, 1992). Tatsächlich sollten solche Wertvorstellungen auch eine wichtige Rolle spielen, wenn es um umweltförderliches – oder eben schädliches – Verhalten geht. Denn sie gelten als relativ stabile Basis für Einstellungen und Verhaltensweisen (Stern et al., 1995). Einige Studien zeigen jedoch, dass Wertvorstellungen menschliche Entscheidungen nur indirekt beeinflussen: Wertvorstellungen wirken sich auf Normen und Einstellungen aus, die das Verhalten dann entsprechend beeinflussen (de Groot & Thogersen, 2019). Macht Sinn, denn viele Menschen würden sich wohl als umweltbewusst bezeichnen, ohne direkt auf umweltschädliches Verhalten verzichten zu wollen. Die persönlichen Wertvorstellungen sind dann nicht kausal mit dem tatsächlichen Verhalten verknüpft. Aber wie passt das zusammen? Laut de Groot & Thogersen (2019) bemühen sich viele Menschen, ein möglichst gutes Bild von sich aufrechtzuerhalten. Sie möchten sich als umweltbewusst wahrnehmen, auch wenn das eigentliche Verhalten nicht exakt mit dieser Wertvorstellung übereinstimmt. Hinzu kommt, dass meist mehrere Wertvorstellungen das Denken und Handeln beeinflussen. Wenn beispielsweise ein Restaurant ausgewählt werden soll, spielen meist mehrere Faktoren eine Rolle (ob das Essen gut schmeckt, ob biologisch angebaute Lebensmittel verwendet werden, ob die Mitarbeitenden fair entlohnt werden, …). Der individuell am stärksten gewichtete Faktor bestimmt in der Regel dann letztendlich das Handeln in der jeweiligen Situation (de Groot & Thogersen, 2019).

Der Einfluss sozialer Normen

Soziale Normen teilen uns mit, ob bestimmte Verhaltensweisen in der Gesellschaft akzeptiert oder verurteilt werden (Keizer & Schultz, 2019). Die Sozialpsychologie untersucht soziale Normen schon seit vielen Jahren und auch in der Umweltpsychologie kommt ihnen Bedeutung zu. Nach Keizer und Schultz (2019) beeinflussen verschiedene Faktoren das Verhalten: 

Der Kontext und das Setting
Die Grösse der Gruppe, die das Verhalten ausübt
Die Gruppenmitglieder selbst (z.B. ihr Status oder die Beziehung zum Individuum)
Bereits existierende subjektive Normen 
Die mit dem gewünschten Verhalten verwendete Botschaft

Zusätzlich wird auch unterschieden zwischen einer deskriptiven Ist-Norm und einer präskriptiven Soll-Norm (Cialdini et al, 1991). Eine hohe Wirksamkeit auf das Verhalten anderer Personen hat in Studien insbesondere die deskriptive Ist-Norm gezeigt, also die Information über das Verhalten anderer Personen. Beispielsweise die Aussage, dass in einem Hotel die Gäste die zur Verfügung gestellten Handtücher jeweils wiederverwenden, kann einen starken Einfluss aufs eigene Verwendungsverhalten haben (Goldstein, Cialdini & Griskevicius, 2008).

Zusammenfassung

Verschiedene psychologische Faktoren können umweltfreundliches oder eben auch umweltschädigendes Verhalten fördern oder verursachen. Dabei sollte festgehalten werden, dass blosses Wissen nicht ausreicht, um eine positive Verhaltensänderung zu erwirken. Vielmehr spielen auch andere Faktoren eine Rolle: Soziale Normen und insbesondere Informationen über das Verhalten anderer Menschen sind entscheidend. Auch mit persönlichen Wertvorstellungen kann Verhalten erklärt werden – wenn auch nicht in jedem Fall. 

Quellen und weiterführende Informationen:

Abrahamse, W., Steg, L., Vlek, C. & Rothengatter, T. (2005). A Review of Intervention Studies Aimed at Household Energy Conservation. Journal of Environmental Psychology, 25(3). 273 – 291.

Bamberg, S. & Möser, G. (2007). Twenty Years after Hines, Hungerford, and Tomera: A New Meta-Analysis of Psycho-Social Determinants of Pro-environmental Behaviour. Journal of Environmental Psychology, 27, 14–25. 

Cialdini, R. B., Kallgren, C. A. &. Reno, R. R. (1991). A Focus Theory of Normative Conduct: A Theoretical Refinement and Reevaluation of the Role of Norms in Human Behavior. Advances in Experimental Social Psychology, 24, 201 – 234. 

Goldstein, N. J., Cialdini, R.B. & Griskevicius V. (2008). A Room with a Viewpoint: Using Social Norms to Motivate Environmental Conservation in Hotels. Journal of Consumer Research, 35(3), 472 –482.

De Groot, J. I. M. & Thogersen, J. (2019). Values and Pro-Environmental Behavior. In: Steg, L. & de Groot, J. l. M. (Hrsg.), Environmental Psychology, 2. Aufl., New Jersey: John Wiley & Sons Ltd

Hellbrück, J. & Kals, E. (2012). Umweltpsychologie und ihre historischen Wurzeln. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 

Keizer, K. & Schultz, P. W. (2019). Social Norms and Pro-Environmental Behavior. In: Steg, L. & de Groot, J. l. M. (Hrsg.), Environmental Psychology, 2. Aufl., New Jersey: John Wiley & Sons Ltd

Schwartz, S. H. (1992). Universals in the content and structure of values: theoretical advances and empirical tests in 20 countires. Advances in Experimental Social Psychology, 25, 1 - 65

Steg, L., van den Berg, A. E. & de Groot, J. I. M. (2019). Environmental Psychology: History, Scope and Methods. In: Steg, L. & de Groot, J. l. M. (Hrsg.), Environmental Psychology, 2. Aufl., New Jersey: John Wiley & Sons Ltd

Stern, P. C., Kalof, L., Dietz, T. & Guagnano, G. A. (1995). Values, Beliefs, and Proenvironmental Action: Attitude Formation Toward Emergent Attitude Objects. Journal of Applied Social Psychology, 25(18), 1611 – 1636.

Autor/in
Lea Schlenker

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Bachelor of Science FH in Wirtschaftspsychologie

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