Sinn und Unsinn von Langeweile
Mandana Bahrami
Die meisten Menschen kennen das Gefühl der Langeweile – auch bei der Arbeit. An manchen Tagen scheint einfach jegliche Tätigkeit langweilig und die Zeit vergeht unglaublich langsam. Ist schon nur die Vorstellung davon für Sie kaum auszuhalten? Dann lesen Sie weiter.
Es wird langweilig
Eigentlich gäbe es viel zu tun, doch alle Optionen scheinen unbefriedigend. Ist mein Job öde oder bin ich einfach nur gelangweilt? Und wieso? In der Forschung gibt es unterschiedliche Definitionen und Erklärungsansätze betreffend Langeweile (Bambrah et al., 2023). J. D. Eastwood definiert Langeweile als das unangenehme Gefühl, das auftritt, wenn wir eine zufriedenstellende Aktivität ausführen möchten, aber nicht können oder wenn wir nichts tun können, obwohl wir etwas tun möchten (Eastwood et al., 2012). Dies wird universal als negativ erlebt und geht auch mit innerer Unruhe, Frust, Unaufmerksamkeit und einem Gefühl der Sinnlosigkeit einher. In Momenten der Langeweile erleben wir das Gegenteil von dem, was wir uns eigentlich wünschen: im «Flow» zu sein – dem Zustand von höchster Konzentration, in dem die Aufmerksamkeit völlig in einer interessanten und optimal herausfordernden Tätigkeit versunken ist (Csikszentmihalyi, 2002).
Handelt es sich bei Langeweile nur um einen momentanen Zustand (State), der zum Glück wieder vorbei geht, oder auch um ein Persönlichkeitsmerkmal (Trait)? Die Forschung dazu stützt sich primär auf Experimente in Laborstudien, bei denen Versuchspersonen jeweils alleine in einen sonst leeren Raum gesetzt werden, um Langeweile zu induzieren. Situationen, in denen wir uns im alltäglichen Leben langweilen, können jedoch erheblich vom üblichen Labor-Setting abweichen. Oder wie oft sitzen wir im Alltag freiwillig in einem reizlosen Raum? Es wird jedoch davon ausgegangen, dass sich manche Menschen tatsächlich schneller und häufiger langweilen als andere. Des Weiteren zeigt sich, dass der Hang zur Langeweile mit anderen Merkmalen, beispielsweise mit Sensation Seeking, mangelnder Selbstkontrolle, Aufmerksamkeit und Konzentration korreliert. Aber auch die Erziehung und das Umfeld scheint eine Rolle zu spielen. Leben wir einfach in einer überreizten Welt und haben nicht gelernt, Langeweile auszuhalten?
Schluss mit Langeweile!
Ist es in langweiligen Situationen besser, sich abzulenken oder innezuhalten? Menschen tun beides, wenn sie gelangweilt sind: Sie richten den Fokus auf einen externen Reiz oder versuchen, gedanklich kreativ zu werden und so zu entfliehen. Also Langeweile einfach verschwinden lassen, in dem wir eine zufriedenstellende alternative Tätigkeit suchen und dieser nachgehen? Da Langweile aus einer Diskrepanz zwischen aktuellem und gewünschten Aktivierungsgrad entstehen kann, also sowohl bei Über- als auch Unterforderung, ist es wichtig, die Handlungen den eigenen Fähigkeiten und dem momentanen Leistungsniveau anzupassen. Das ist jedoch leichter gesagt, als getan, denn im Alltag müssen wir auch viele öde Dinge erledigen, die nicht vermeidbar sind, obwohl wir lieber etwas anderes machen würden. Und manchmal wissen wir nicht einmal, was dieses «andere» sein könnte. Was will uns die Langeweile dann sagen? Steht in der derzeitigen Situation, beispielsweise im Job, keine zufriedenstellende Alternative in Aussicht, ist das möglicherweise ein Zeichen dafür, dass wir etwas ändern sollen. Vielleicht ist es dann an der Zeit, sich neue Ziele zu setzen, oder sich nach einer anderen Position umzusehen.
Macht Langeweile krank?
In der Literatur findet man bei häufig gelangweilten Menschen öfters Zusammenhänge mit unterschiedlichen Suchterkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten wie ADHS, Depressionen, Angststörungen, risikoreiches Verhalten und impulsiven Entscheidungen (Kiliç et al., 2020). Die darunterliegenden Ursache-Wirkung-Mechanismen und langfristigen Auswirkungen sind jedoch unklar und noch nicht ausreichend erforscht. Entscheidend für die negativen Effekte ist vermutlich nicht die Langeweile per se, sondern, wie wir damit umgehen. Da es sich bei Langeweile um eine vielschichtige Emotion handelt, können mit ihr unterschiedliche psychologische und physiologische Konsequenzen einhergehen. Langeweile setzt eine Suche nach Aktivierung und Herausforderung in Gang, die in unterschiedlichen Verhaltensweisen resultiert, welche nicht nur wünschenswert sind. Im Gegenteil, es kann sein, dass Menschen aus der verzweifelten Flucht aus der Langeweile heraus problematisches Verhalten an den Tag legen.
Die Forschung scheint sich für das Thema Langeweile zu interessieren. Und diesen Blogbeitrag zu verfassen war interessanter als zu Beginn antizipiert. Langeweile ist also gar nicht so langweilig.
Quellen und weiterführende Informationen:
Bambrah, V., Moynihan, A. B., & Eastwood, J. D. (2023). Self-focused but lacking self-knowledge: The relation between boredom and self-perception. Journal of Boredom Studies, 1, 1-26.
Csikszentmihalyi, M. (2002). Flow: The Classic work on how to achieve happiness. Rider.
Eastwood, J. D., Frischen, A., Fenske, M. J., & Smilek, D. (2012). The unengaged mind: Defining boredom in terms of attention. Perspectives on Psychological Science, 7(5), 482-495.
Kiliç, A., Van Tilburg, W. A., & Igou, E. R. (2020). Risk‐taking increases under boredom. Journal of Behavioral Decision Making, 33(3), 257-269.
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Bachelor of Science FH in Angewandter Psychologie
Bachelor of Science/Arts (BSc/BA)