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AI-Selfies: Die Lensa-App verwandelt das eigene Erscheinungsbild in kunstvolle Avatare. (Symbolbild)

Wer die letzten Wochen auch nur ein bisschen auf den sozialen Medien unterwegs war, hat den Hype um die Lensa wohl oder übel auch mitbekommen. Die Foto-App hat in kürzester Zeit die sozialen Medien im Sturm erobert. Für ein paar wenige Franken und läppische zehn Fotos von sich selbst verwandelt die KI hinter der App die eigene Erscheinung in ein Pop-Art-Kunstwerk, eine Elfe, einen Rockstar, Astronauten oder in eine futuristische Gestalt einer Blade-Runner-Reklameanzeige. Was steckt hinter der Psychologie der Lensa-App?

Ein Avatar für mich und dich

Der Hype um die Lensa-App ist wohl an keinem von uns vorbeigegangen. Wer nicht selbst ein paar Avatare von sich auf den sozialen Medien gepostet hat, durfte dafür die kunstvollen Doppelgänger seiner Bekannten auf Instagram & Co. bestaunen. Die teilweise äusserst realistischen Darbietungen sorgten für viel Begeisterung und Wirbel. Allerdings regnet es nicht nur Lob für die Lensa-Betreiber Prisma. Hinter der App steckt das KI-Modell Stable Diffusion, eine generative Open-Source-KI, die visuelle Anfragen dank eines grossen, bereits gesammelten Datensatzes bearbeiten kann. Damit die künstliche Intelligenz so arbeiten kann, wie sie sollte, muss sie also zunächst mit riesigen Datensätzen gefüttert werden. Eine KI ist nämlich in Grunde genommen nichts anderes als das Produkt der Informationen, mit denen wir sie füttern. Unter diesen Daten befinden sich auch Werke von Künstlern, die irgendwann ins World Wide Web gelangt sind. Das sorgt derzeit für ordentlich Furore, denn viele Kunstschaffende beschweren sich, dass ihre Kunstwerke ohne Erlaubnis und ohne Entgelt von der KI fürs Training verwendet wurden. Ebenso hagelt es Kritik auf Seite des Datenschutzes, laut Datenschutzbestimmung der App überlässt man die Fotos der KI fürs Training. Auch in Sachen Diskriminierung sammelt Lensa nicht gerade Pluspunkte. Viele der Nutzerinnen waren schockiert über die sexualisierte Darstellung ihrer Avatare und People of Color berichteten, wie ihre Haut auf den Avataren aufgehellt dargestellt wurde.

Die Psychologie dahinter

Aber wieso findet die App überhaupt einen so grossen Anklang bei der Bevölkerung? Vielen Personen macht die Generierung ihrer Ebenbilder schlicht und einfach eine Menge Spass. Immerhin sind Selbstportraits historisch in der Menschheitsgeschichte verankert: Die ersten Selbstbildnisse soll es bereits in der Antike gegeben haben. Das eigene Selbst gehört heute zu einem Thema, das in der Psychologie intensiv untersucht wird. Der Sozialpsychologe Nick Yee nannte gegenüber dem TIME-Magazin einen weiteren Grund, wieso wir die Lensa-App so anziehend finden. Durch die eingespeisten Daten sind die KI auf «attraktive» Menschen, die dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, trainiert. Das äussert sich dann auch in den generierten Bildern, die die abgebildeten Personen immer ein kleines bisschen «attraktiver» erscheinen lassen. Das sorge dann für einen Boost im Selbstbewusstsein, meint der Forscher. Wenn der Unterschied aber zu gross ist, kann das schädlich für die betroffene Person sein. Macht Sinn, denn kaum jemand hinterfragt gerne seine Identität – zumindest in Bezug auf die optische Wahrnehmung. Schaden solche Apps also womöglich sogar der psychischen Gesundheit? So ähnlich klingt es bei der klinischen Psychologin Dr. Toni Pikoos. Gegenüber dem Rolling Stone Magazin meint sie, dass falls es zu einer zu grossen Diskrepanz zwischen dem generierten Avatar und der eigenen Selbstwahrnehmung kommen würde, dies sich eher negativ auf die betroffene Person auswirken würde. Die Autorin Aubrey Gordon kritisiert über Instagram, dass ihr Doppelkinn wegretuschiert und sie «in eine dünne Person verwandelt wurde». So etwas kann sich negativ auf die Psyche auswirken. Immerhin haben Forschende der Boston University School of Medicine bereits 2018 im Zusammenhang mit extrem bearbeiteten Selfies herausgefunden, dass diese unrealistische Erwartungen an das eigene Erscheinungsbild hervorrufen können.

Schluss

Die Lensa-App hat zum Schluss des Jahres 2022 richtig getrendet, und das nicht grundlos. Die Nutzung der App hat allerdings nicht nur psychologische Gründe, sondern auch psychologische Auswirkungen. Nebst dem schnellen Ego-Boost können die optisch aufgewerteten Avatare allerdings auch negative Effekte haben. Ob mit Lensa-Avatar oder ohne: Für eine gesunde Psychohygiene hilft es, das Selbstvertrauen langfristig zu stärken und Körpernormen zu hinterfragen. Ob Selfies und digitale Avatare hierbei das richtige Mittel zum Zweck sind, ist fraglich. Eine unterhaltsame Spielerei sind sie für viele allemal.

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