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Strategieplanung muss neue Wege gehen. (Symbolbild)

Was wird heute schon nicht als "strategisch" bezeichnet? Eine Analyse des Karrierenetzwerks LinkedIn ergab, dass im Jahre 2017 der Begriff "strategisch" inflationär in den Profilen von Schweizer Nutzern aus dem Bereich Marketing als aufgeführte Fähigkeiten verwendet wurde. Viele Schweizer Marketingleute sehen sich also als sehr strategisch veranlagt oder tätig. In Deutschland, Singapur und den USA gelangte dieser Begriff übrigens auf Rang 3, in England auf Rang 5 und in Frankreich auf Rang 2 (Hungenberg, 2014). Weltweit gesehen scheinen viele ihre berufliche Tätigkeit auf strategische Belange auszurichten. Alles und jenes scheint also strategisch zu sein. Strategisches Management wird seit geraumer Zeit auch an jeder besseren Hoch- und/oder Businessschule unterrichtet und füllt demzufolge viele Hörsäle. Natürlich auch bei uns an der Kalaidos Fachhochschule.

Was gibt es dann also im Bereich des strategischen Managements noch zusätzlich zu schreiben? Ist hier nicht schon (zu) viel gesagt und geschrieben? Ich denke, dass es da schon noch so einiges zu sagen und zu schreiben gäbe. Deswegen tue ich das nun hier. In einem dreiteiligen Blogbeitrag. Kommen wir zu Teil 1:

VUCA und Strategie

Wir wissen es alle – und nun kommen wir zu einem viel verwendeten "Modewort" - wir bewegen uns in der sogenannten VUCA-Umwelt. VUCA ist ein Akronym aus den Begriffen Volatilität, Ungewissheit, Komplexität sowie Ambiguität, resp. deren englischen Bezeichnungen Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. Zusammengefasst lassen sich die einzelnen VUCA-Komponenten wie folgt beschreiben:

Matrix VUCA-Welt
Abbildung 1: VUCA-Matrix (Grafik: eigene Darstellung).

Ein wesentlicher Treiber dieser rasanten Veränderungen stellt die Digitalisierung dar. VUCA jedoch ausschliesslich mit der Digitalisierung zu begründen, wäre falsch. Weitere Treiber mit grossem Einfluss auf diese rasanten Veränderungen sind Trends wie die Globalisierung, Gender Shift, New Work oder aber auch einfach nur eine veränderte Erwartungshaltung der Gesellschaft. Diese Umweltbedingungen verändern die moderne Geschäftswelt und führen dazu, dass eine enorme Fülle von neuen Anforderungen bewältigt werden muss.

Diese Ausgangslage hat auch Auswirkungen auf die Strategieplanung von Unternehmen und Organisationen. Mintzberg et al. (1998) führten aus, dass die strategische Planung, wie auch die Implementierung der Strategie, auf stabile Bedingungen angewiesen sei. Solche stabilen Bedingungen gibt es jedoch in einer von VUCA dominierten Welt nicht.

Bennett und Lemoine (2014) stellen fest, dass viele Führungskräfte und Expert/innen unter VUCA- Bedingungen die strategische Planung als blosse "Übungen" ansehen würden. Sie argumentieren, dass die VUCA-Bedingungen alle Bemühungen, die Zukunft zu verstehen und Antworten zu planen, nutzlos machen würden. Strategische Planung soll also reiner Nonsens sein. Trifft dies jedoch wirklich zu? Macht uns die VUCA-Umwelt handlungsunfähig, resp. ist Strategieplanung durch VUCA obsolet oder gar unmöglich geworden?

Thode und Wistuba (2019) empfehlen, dass sich Organisationen bei der Strategieentwicklung den VUCA-Rahmenbedingungen anzupassen hätten und dass dazu VUCA-kompatible Methoden anzuwenden seien. Gemäss den besagten Autoren definieren sich VUCA-kompatible Methoden dadurch, dass der Prozess agiler wird und mehr organisationsinterne wie -externe Expertise in den Strategiegestaltungsprozess einfliessen muss – und zwar unabhängig von Hierarchie.

Moderne Strategieplanung muss also den vorherrschenden Rahmenbedingungen angepasst sein. Sie sollte agiler, offener und partizipativer werden. Und somit wären wir beim Thema "Open Strategy" angekommen.

Open Strategy

Erste Ansätze der Open Strategy entstammen Liinamaa et al. (2004). Die Autoren fokussieren sich in ihrem Artikel primär auf die Verwendung von geeigneten IT-Tools, welche multinational tätigen Unternehmen für die Strategieplanung im Sinne eines "Collaborative Strategic Planning" behilflich sein sollen. Liinamaa et al. weisen allerdings auch darauf hin, dass zeitgemässe Strategieplanung nicht allein die Aufgabe des Topmanagements sein solle und erwähnen die Notwendigkeit einer adaptiven Strategieplanung in einem möglichst gut diversifizierten Team.

Chesbrough und Appleyard (2007) sowie Doz und Kosonen (2008) benutzten in der Folge den Begriff "Open Strategy". Dies zwar aus unterschiedlichen Perspektiven. Während Chesbrough und Appleyard sich der Thematik aus der Perspektive der Open Innovation annähern, postulieren Doz und Kosonen, dass die Strategieentwicklung im Sinne der Inklusion eines möglichst breiten Spektrums von Angehörigen der betroffenen Unternehmung erfolgen soll.

Whittington et al. (2011) waren es dann, welche erstmals die Kernelemente von Open Strategy bezeichneten: Transparenz und Inklusion. Die Autoren stellen jedoch selbst fest, dass der Ansatz von Open Strategy zwei bewährte Lehrmeinungen in Frage stellt. Diejenige der Exklusivität der Verantwortlichkeit für die Strategiebildung durch das Top-Management und diejenige der Opazität – normalerweise gilt Strategie als ein Betriebsgeheimnis, welches zu Wettbewerbsvorteilen führen soll. Nun wird aus Opazität Transparenz, welche sogar über die Grenze des Unternehmens hinausgeht, indem auch externe Stakeholder in den Strategieprozess involviert werden sollen. Dies beinhaltet eine gewisse Brisanz! Mehr dazu im nächsten Teil.

Mit dieser Einleitung zum Thema Open Strategy schliesse ich den ersten, einleitenden Beitrag dieses dreiteiligen Blogbeitrags. In Teil 2 beleuchte ich das Thema Open Strategy genauer und befasse mich mit den beiden Themen Partizipation und Transparenz im Strategieprozess.  In Teil 3 präsentiere ich Ihnen eine neue, eigenentwickelte Methode, um Open Strategy umzusetzen. Ich freue mich, wenn Sie dann auch wieder dabei sind.

Quellen und weiterführende Informationen

Bennett, N. & Lemoine, G. J. (2014). What VUCA really means for you. Harvard Business Review 92, 311–317.

Chesbrough, H. W. & Appleyard, M. M. (2007). Open Innovation and Strategy. California Management Review 50 (1), 57–76. DOI: 10.2307/41166416.

Doz, Y. L. & Kosonen, M. (2008). Fast strategy. How strategic agility will help you stay ahead of the game. (1. publ.). Harlow: Wharton School Publ.

Hungenberg, H. (2014). Strategisches Management in Unternehmen. Ziele - Prozesse - Verfahren. (8. aktualisierte Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler (Lehrbuch).

Liinamaa, K., Nuutinen, J. A., Sutinen, E. & Vanharanta, H. (2004). Collaborative Strategic Planning On-line. PsychNology J 2, 242–254.

Mintzberg, H., Lampel, J. & Ahlstrand, B. W. (1998). Strategy safari. A guided tour through the wilds of strategic management. New York: The Free Press. Online verfügbar unter http://www.loc.gov/catdir/bios/simon051/98009694.html.

Thode, S. & Wistuba, L. (2019). Strategisches Mindset in der VUCA-Welt am Beispiel der Polizei Niedersachsen. In M. H. Dahm (Hrsg.). Strategie und Transformation im digitalen Zeitalter. Inspirationen für Management und Leadership. (FOM-Edition Ser, S. 107–118). Wiesbaden: Gabler.

Whittington, R., Cailluet, L. & Yakis-Douglas, B. (2011). Opening Strategy: Evolution of a Precarious Profession. In British Journal of Management 22 (3), 531–544. DOI: 10.1111/j.1467-8551.2011.00762.x.

Autor/in
Herbert Hoeck

Dr. Herbert Höck

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