Kehrseite der Digitalisierung Kehrseite der Digitalisierung
(Bild: Tumisu from Pixabay / Mirko J. Helbling)

Die GewinnerInnen unseres Blog-Schreibwettbewerbs zum Thema Digitalisierung stehen fest: Der erste Preis geht an Mirko Helbling. Herzlichen Glückwunsch! Lesen Sie hier seinen Beitrag. Wer den zweiten und dritten Platz gewonnen hat, erfahren Sie nächsten bzw. übernächsten Donnerstag hier auf unserem Kalaidos Blog.

Sieben Jahre ist es inzwischen her als Edward Snowden, damals ein unbekannter 30-Jähriger Informatiker, der für den grössten Geheimdienst der Welt tätig war, uns alle aufhorchen liess (Neue Zürcher Zeitung, 2013). Was er zu erzählen hatte, füllte die hiesigen Medien wie heutzutage COVID-19 oder zuletzt das Attentat in Tomsk auf den Oppositionellen Alexej Nawalny (Esch, 2020). Doch hat unsere Gesellschaft wirklich die notwendigen Lehren gezogen oder reiten wir taub, blind und stumm der Digitalisierung entgegen?

Da war doch was, ach ja Massenüberwachung

Die meisten Menschen können sich nur noch partiell, wenn überhaupt an die eigentlichen Inhalte der damaligen Berichterstattung und Debatte erinnern. Zu überschattet war die Diskussion von einzelnen Exponaten wie z. B. der Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem ganz persönlichen Abhörskandal (Wirtschaftswoche, 2014). Auch die Tatsache, dass Russland mit Edward Snowden einen Vasallen gefunden hat, welcher auf die schützende Hand von Wladimir Putin angewiesen ist, möge dem einen oder anderem noch in Erinnerung geblieben sein (Neue Zürcher Zeitung, 2020). Doch haben wir als SchweizerInnen wirklich verstanden, was die Massenüberwachung von unserer Gesellschaft für Konsequenzen haben kann?

Die Macht der Daten

Inzwischen kennen wir alle das prominente Beispiel von der Wahlbeeinflussung in den Vereinigten Staaten im Jahre 2016 einerseits durch ausländische Akteure und andererseits durch das Wahlkampfteam von Donald Trump und der dafür beauftragten Firma Cambridge Analytica (Zeit Online, 2018). Also könnte man meinen, die breite Öffentlichkeit ist genügend informiert und dadurch sensibilisiert und weiss wie schützenswert Daten vor allem in einer gewissen Menge sind. Dies ist meiner Meinung nach nicht so, zu abstrakt sind die in Mode geratenen Begriffe wie Big Data und Machine Learning oder AI (Artificial Intelligence) und noch abstruser die daraus resultierenden Konsequenzen in Zusammenhang mit der Massenüberwachung durch Unternehmen oder Regierungen für eine Gesellschaft wie unsere. Es ist naiv zu glauben, dass die Massenüberwachungen "nur" das abfängt und verarbeitet, was durch unseren Browser versendet wird. Zu komplex sind die heutigen Informationsstrukturen und Netzwerke. Neben dem Nachrichten- (Messages, E-Mail, etc.) und Internetverkehr (Soziale Netzwerke, Surfing, etc.) werden Telemetrie-Daten (Standort, Zustand, etc.) sowie Sensordaten (Bild, Akustik, etc.) übertragen und bei Bedarf verarbeitet. Die technischen Möglichkeiten wachsen jährlich, während die darunterliegenden Modelle komplexer und präziser werden. 

Im Jahre 2012 ereignete sich eine Geschichte in Minneapolis (USA), welche mich nach wie vor zum Schmunzeln bringt (Forbes, 2012). Ein erboster und in Rage geratener Vater kontaktierte den Manager eines Versandhändlers, da die Tochter andauernd mit gezielten Schwangerschaftsprodukten beworben wurde. Er wollte klarstellen, dass seine Tochter noch zur High-School geht und somit keinerlei Bedarf für solche Produkte hat. Wenig später stellte sich heraus, dass seine Tochter wirklich schwanger war und das Modell und somit der Versandhändler vor dem Vater über die Schwangerschaft informiert waren – einzig wegen dem Kauf- und Analyseverhalten der Tochter. Immerhin entschuldigte sich der Vater beim Manager anständig, da ja erwiesenermassen nicht das Modell, sondern die Vater-Tochter-Kommunikation fehleranfällig war. [1]

Das erste Beispiel widerspiegelt die Gefahr, durch massgeschneiderte Manipulationen beeinflusst zu werden, was einer aktiven Steuerung des menschlichen Verhaltens gleichkommt. Sei dies in demokratischen Prozessen oder sonst im gesellschaftlichen Zusammenleben. Nicht zuletzt sind auch gezielte Desinformationen (auch Fake News genannt) Teil dieses Konstruktes. Das zweite Beispiel hingegen illustriert eine zutreffende Voraussage oder Klassifizierung, welche basierend auf der Datenlage gemacht wurde. Solche Voraussagen werden multidisziplinär genutzt – vom Marketing bis zur Terrorbekämpfung. Auch ist vielen der Begriff "Predective Policing" bekannt, nämlich der Versuch vorauszusagen, wo eine Straftat stattfindet, um die Patrouillen bestmöglich zu verteilen. Science-Fiction? Mitnichten, die Kantonspolizei Zürich setzt seit Jahren darauf.

Nun ja, ein Schelm, wer daran denkt, was noch mit solchen Daten verfälscht und/oder vorausgesagt werden könnte oder längstens getan wird.

Taub, blind und stumm

Angesichts des fortschreitenden Digitalisierungsgrads (von den Kleinkindern in den Primarschulen bis zu den Pflegebedürftigen in den Altersheimen) durch die Corona-Pandemie nimmt auf der einen Seite die Aussetzung der Gesellschaft gegenüber digitalen Bedrohungen massiv zu. Auf der anderen Seite vergessen wir wie "vertrauenswürdig" mit genau diesem wertvollen Gut umgegangen wird. Wir sollten auch in pandemischen Zeiten wie diesen kritisch bleiben und stets die richtigen Fragen stellen. Nur so stellen wir sicher, uns nicht taub, blind und stumm den Gefahren des 21sten Jahrhunderts auszusetzen.

[1] Korrekterweise muss erwähnt werden, dass der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte angezweifelt wird (Fraser, 2020). Es ist anzunehmen, dass die Pointe übertrieben ist. Die Möglichkeit solcher Voraussagen ist hingegen weniger in Frage zu stellen (natürlich innerhalb eines Konfidenzintervalls).

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