Reform der Verrechnungssteuer Vorlage des Bundesrates zum Gesetzentwurfs ist nicht zielführend
Elga Reana Tozzi
Der Bundesrat hat am 3. April 2020 die Vernehmlassung zur Reform der Verrechnungssteuer eröffnet, welche am 10. Juli 2020 abgelaufen ist. Mit der Verrechnungssteuerreform soll der Fremdkapitalmarkt Schweiz gestärkt und Schweizer Konzerne veranlasst werden, ihre Obligationen möglichst in der Schweiz zu emittieren. Ausserdem sollen die Konzerne ihre ausländischen Finanzierungsstrukturen weitestgehend abbauen und die entsprechenden Tätigkeiten in die Schweiz verlagern. Die Reform kann frühestens 2021 im Parlament beraten werden. Ein Inkrafttreten per 1. Januar 2022 ist daher nicht mehr möglich.
Zusammenfassend sind die folgenden wichtigsten Änderungen vorgesehen:
- Teilweise Einführung des Zahlstellenprinzips
- Inländische juristische Personen und ausländische Anleger sollen von der Verrechnungssteuer auf Zinsen befreit werden
- Gleichbehandlung der direkten Anlage in ein Zinspapier und der indirekten Anlage via KKA (auch ausserhalb des KAG) oder eines strukturierten Produkts (alle unterliegen der Verrechnungssteuer)
- Gesetzliche Regelungen bezüglich Verrechnungssteuer auf Ersatzzahlungen aus Zins- und Beteiligungserträgen
- Abschaffung der Umsatzabgabe auf dem Handel mit inländischen Obligationen durch einen inländischen Effektenhändler
Stärkung Fremdkapitalmarkt
Da Zinszahlungen auf Obligationen schweizerischer Unternehmen der Verrechnungssteuer von 35 Prozent unterliegen, sind diese für die meisten Anlegerinnen und Anleger unattraktiv, selbst wenn diese Ansprüche auf teilweise oder vollständige Rückerstattung der Steuer haben. Als Reaktion darauf weichen Schweizer Konzerne regelmässig der Verrechnungssteuer aus, indem sie ihre Obligationen über eine ausländische Gesellschaft begeben. Im Gesetzesentwurf sollen neu inländische juristische Personen und ausländische Anleger von der Verrechnungssteuer auf Zinsen befreit werden.
Im Weiteren soll der Fremdkapitalmarkt dadurch gestärkt werden, dass neu keine Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen bei Erwerb über einen inländischen Effektenhändler erhoben werden soll. Bisher hat die Umsatzabgabe den Handel mit Obligationen durch einen Schweizer Effektenhändler belastet und war somit für Anleger unattraktiv.
Einführung Zahlstellenprinzip auf Zinserträge
Beim Zahlstellenprinzip wird die Verrechnungssteuer nicht mehr vom Schuldner (z.B. ein Unternehmen, das eine Obligation ausgibt und darauf Zinsen entrichtet) abgeführt, sondern von der Zahlstelle der Anlegerin oder des Anlegers (z.B. die Bank, bei der die Anlegerin oder der Anleger die Obligation in einem Depot hält). Die neue Verrechnungssteuer greift, wenn die Zahlstelle ihren Sitz in der Schweiz hat, d.h. bei Zahlung der Zinsen durch eine inländische Bank an inländischen natürlichen Personen. Zinszahlungen an inländische juristische Personen und ausländische Anlegerinnen und Anleger sind von der Verrechnungssteuer ausgenommen. In der Praxis kann dies dazu führen, dass auf ausländischen Zinserträgen zusätzlich zu der ausländischen Quellensteuer noch die Verrechnungssteuer geschuldet sein könnte, wenn die Titel durch eine schweizerische Depotstelle gehalten werden. Ein inländischer Anleger wäre demzufolge bessergestellt, wenn er die ausländischen Titel über eine ausländische Bank halten würde.
Bei Staaten, mit denen die Schweiz den AIA pflegt (2020: mit 97 Staaten aktiviert), ist die Besteuerung für ausländische Anlegerinnen und Anleger bereits durch die Meldung gesichert. Die zusätzliche Erhebung der Verrechnungssteuer stellt bei Anlegerinnen und Anlegern, die gemäss DBA Anspruch auf Rückerstattung haben, eine Übersicherung dar.
Die Erweiterung der Verrechnungssteuer auf Zinserträge von indirekten Anlagen, d.h. Erträge aus Fonds und strukturierten Produkten, führt zu einer hohen Komplexität bezüglich der Ermittlung der steuerbaren Zinskomponente.
Gesetzesentwurf benötigt eine Überarbeitung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Gesetzesentwurf nicht zielführend ist, da die Ausweitung der Verrechnungssteuer auf alle Zinserträge an inländischen Personen zu einer Diskriminierung der inländischen Anleger führen würde. Sicherlich ist die Stärkung des Fremdkapitalmarktes durch die Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinszahlungen von Obligationen an inländische juristische Personen und ausländische Anleger zu begrüssen, aber die Gesetzesvorlage ist in vielen Bereichen zu komplex und eine Überarbeitung ist unabdingbar.
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Das Thema Verrechnungssteuer wird auch im CAS FH in Corporate Taxation bzw. im MAS FH in Swiss and International Taxation/LL.M. Swiss and International Taxation besprochen. Der nächste Studienstart ist im Oktober.