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«Man kann definitiv Misstrauen aktiv angehen und reduzieren.» (Franziska Hoberg, Bild: Kalaidos FH)

Franziska Hoberg, MSc studierte Wirtschaftspsychologie an der Kalaidos FH und ist in der Unternehmens- und Organisationsentwicklung tätig. Die Forschungsergebnisse ihrer Masterarbeit zu Vertrauen und Misstrauen wurden auf internationalen Konferenzen präsentiert und sind unter dem Titel „Bedeutung und Wirkungspotentiale effizienter Krisenkommunikation“ im Springer Verlag erschienen. Für diese Arbeit wurde Franziska Hoberg 2019 mit dem „Best-Master“-Award ausgezeichnet. Im Interview gewährt sie uns einen Einblick in ihre Arbeit und geht unter anderem der Frage auf den Grund, wie man Misstrauen entgegenwirken kann. 

Frau Hoberg, was ist Misstrauen?

Misstrauen bedeutet, dass ich im Grunde genommen nicht bereit bin, ein Risiko einzugehen, indem ich Vertrauen ausspreche, weil Vertrauen bedeutet, dass ich ein Risiko eingehe. Ich gebe jemandem Vertrauen beispielsweise für eine Handlung und ich weiss erst im Nachhinein, ob die Handlung so geschehen ist, wie ich mir das vorgestellt habe. Vertrauen ist immer ein Risiko, ich gebe einen Vorschuss. Bei Misstrauen tue ich dies nicht und gehe das Risiko nicht ein. Die Misstrauens-Erwartung ist, dass meine gewünschte Handlung sowieso nicht ausgeführt werden würde.

Ist Misstrauen gleichzusetzen mit fehlendem Vertrauen?

Nein, Misstrauen ist nicht gleichzusetzen mit geringem oder fehlendem Vertrauen. Das liegt zwar nahe, denn sprachlich sind Vertrauen und Misstrauen Gegensätze. Aber in der Forschung sind Vertrauen und Misstrauen eigenständige Konstrukte. Das heisst, ich kann geringes Vertrauen bis hohes Vertrauen haben, aber auch geringes Misstrauen bis hohes Misstrauen. Es sind also unterschiedliche Dimensionen.

Ist die Annahme falsch, dass erst Vertrauen verloren gehen muss, damit Misstrauen entstehen kann?

Misstrauen und Vertrauen können zum Teil sogar parallel vorliegen, das heisst, es muss nicht erst Vertrauen verloren werden bevor Misstrauen vorliegen kann.

Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, dass man Institutionen und Entscheidungsträgern vertraut. Weshalb haben denn manche Menschen heute so ein starkes Misstrauen, bis hin zu Verschwörungstheorien?

Grundsätzlich gibt es bei Vertrauen und Misstrauen eine individuelle Komponente. Die eigene Vertrauensneigung ist ausschlaggebend, wie leicht ich vertraue oder misstraue. Diese Vertrauensneigung hat viel mit dem Risiko zu tun, das ich gewillt bin einzugehen. Wenn ich eine Risikoaversion habe, dann tendiere ich vermutlich dazu, nicht leicht zu vertrauen oder sogar dazu, gar zu misstrauen.

Würde die Eigenständigkeit von Vertrauen und Misstrauen bedeuten, dass manche Institutionen das Vertrauen nicht erst verspielt haben müssen, sondern dass Misstrauen unabhängig davon existieren kann?

Ja, es kann durchaus sein, dass man diese Institution nicht kennt, aber auf einer ganz persönlichen Ebene nicht bereit ist, etwas Fremdem Vertrauen zu schenken, oder man misstraut ihm sogar. Wenn wir die WHO als Beispiel heranziehen: Wenn ich sie nicht kenne, würde ich dann sagen, dass alles, was von ihr kommt sowieso nicht stimmen kann. Ich erwarte Negatives, das heisst ich misstraue. Die WHO muss noch gar nichts getan haben, und kann trotzdem schon von mir mit einer negativen Brille betrachtet werden, also aus einer Misstrauenshaltung heraus.

Man liest oft, dass Organisationen durch ihre Kommunikation Vertrauen bilden sollen. Müssten Organisationen nicht viel stärker darauf achten, dass sie misstrauensreduzierend auftreten?

Sie können sogar beides gleichzeitig machen, weil es durchaus Kommunikationsmuster gibt, die beides adressieren könnten.

Welche Strategien gibt es, um mögliches Misstrauen zu reduzieren und gleichzeitig sogar vertrauensbildend zu wirken?

Die beste Variante wäre hier, dass die Unternehmen Massnahmen treffen und darüber sprechen, wie in Zukunft die Situation besser würde. Es hilft zum einen schon, dies zu adressieren. Dass diese Massnahmen umgesetzt werden, muss allerdings auch wahrgenommen werden. Genau das bildet Vertrauen oder reduziert Misstrauen. Wenn nicht nur Worte dastehen, sondern am Ende auch Taten folgen. Dies hat die wissenschaftliche Untersuchung meiner Arbeit ergeben.

Ist Misstrauen also kein Teufelskreis, den man nicht durchbrechen kann?

Ja, man kann definitiv Misstrauen aktiv angehen und reduzieren. In meiner Arbeit habe ich nicht untersucht, wie lange es dauert, bis Misstrauen nicht mehr vorliegt. Ich kann mir vorstellen, dass dies ein langer, steiniger Weg sein kann. Aber es lohnt sich, daran zu arbeiten, denn es besteht Hoffnung: Misstrauen kann man definitiv reduzieren, und abbauen.

Quellen und weiterführende Informationen: 

Hoberg, F. (2019). Bedeutung und Wirkungspotentiale effizienter Krisenkommunikation: Vertrauen aufbauen, Misstrauen reduzieren. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag.

Link zur Best-Master-Arbeit von Franziska Hoberg

Autor/in
Dr. Jörn-Basel

Prof. Dr. Jörn Basel

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