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Red Bull verleiht Flügel! Oder … alles nur ein Placebo? (Symbolbild)

Der Claim «verleiht Flügel» ist fast so bekannt wie die Marke selbst: Red Bull. Die moderne Marketing Ikone, und das durch eine simple koffeinhaltige Brause! Der anhaltende Erfolg von Red Bull hat sicher viel Gründe. Aus wirtschaftspsychologischer Sicht besonders spannend ist dabei die Frage, wie viel Placebo-Effekt hinter der postulierten Wirkung des Energydrinks steckt. Durch seine starke mediale Präsenz ist Red Bull ein ideales Beispiel, um die Wirkung und Steuerung von Placebo-Effekten im Konsumbereich zu illustrieren.  

Was ist ein Placebo-Effekt?

In der Medizin sind Placebo-Effekte seit langem gut dokumentiert und erforscht. Insbesondere bei der Zulassung von neuen Medikamenten und in der Schmerztherapie spielt die Verwendung von Placebos eine wichtige Rolle. Im Konsum- und Marketingbereich ist die Forschung zwar deutlich jünger, jedoch lässt sich in guter Forschungstradition durchaus auf den Erkenntnissen aus der medizinischen Forschung aufbauen. Eine für den Marketingkontext passende Definition stammt von Stewart-Williams und Podd (2004). Sie definieren den Begriff Placebo wie folgt: «A substance or procedure that has no inherent power to produce an effect that is sought or expected». Die Wirkung von Zucker und Koffein in einem Energydrink sind per se keine Placebo-Effekte (und deren tatsächliche Wirkung ist auch gut dokumentiert, siehe Alford et al., 2001). Allerdings kann die Wirkung eines Energydrinks über das zu erwartende Mass hinausgehen. Beispielsweise erhöhen sich Reaktionszeiten nach dem Konsum von Red Bull noch mehr als nach der Einnahme einer neutralen Zucker/Koffein Mischung. Darüber hinaus kann sich auch eine Wirkung einstellen, welche sich nicht durch die Zutaten allein erklären lässt. Beispielsweise, wenn man sich nach dem Konsum eines Energydrinks einer bestimmten Marke attraktiver fühlt.

Wie funktionieren Placebo-Effekte?

Lange Zeit war unklar, wie genau der Wirkungsmechanismus eines Placebos zu erklären ist. Handelt es sich um – möglicherweise unbewusst – gelernte Reaktion oder ist eine konkrete Erwartungshaltung der entscheidende Treiber? Heute besteht in der Forschung mehrheitlich Konsens, dass sowohl (konditionierte) Lernprozesse als auch Erwartungshaltungen notwendig sind, wenn man Placebo-Effekte erklären möchte.

Um beim Beispiel des österreichischen Energydrinks zu bleiben:

Konditionierung als Lernmechanismus würde bedeuten, dass ein Sportler vor einem Wettkampf stets eine Dose der Koffeinbrause trinkt (= Reiz) und anschliessend den Wettkampf mit einer bestimmten Leistung (= Reaktion) bestreitet. Dadurch entsteht eine assoziative Verbindung zwischen dem Getränk und der Wettkampfperformance. Dies kann sowohl unbewusst gelernt werden als auch zu konkreten Erwartungen führen; nach dem Motto «durch den Energydrink kann ich mich jetzt besonders fokussieren».

Ein Energydrink kann aber auch ganz ohne persönliche (Lern-) Erfahrung Erwartungen wecken. Dann nämlich, wenn wir beispielsweise erfolgreiche Sportler als weitere Informationsquelle dabei beobachten, wie sie vor einem Wettkampf einen Schluck aus der silbernen Dose nehmen und anschliessend das Rennen gewinnen. Dies weckt in uns die bewusste Erwartung, dass wir durch den Konsum genau dieses Getränkes ebenfalls besonders leistungsfähig sein können.

Der eigentliche Placebo-Effekt kann sich schliesslich auf zwei Arten manifestieren. Zum einen als physiologischer Placebo-Effekt (objektiv messbar, beispielsweise durch einen erhöhten Blutdruck) und/oder als subjektiver Placebo-Effekt (beispielsweise durch die erhöhte wahrgenommene Leistungsfähigkeit).

Der physiologische und der subjektive Placebo-Effekt
Der physiologische und der subjektive Placebo-Effekt, in Anlehnung an Stewart-Williams & Podd, 2004. (Abbildung)

Wirkt ein Placebo-Effekt bei jedem?

Nein. Beispielsweise konnten Irmak und Block (2005) in einer experimentellen Studie zeigen, dass nur bei Probanden, welche auch an die Wirkung von Energydrinks glaubten, ein Placebo-Effekt nachgewiesen werden konnte. Sie folgern daher für die Anwendung im Marketing, dass der Konsument die Wirkung auch wirklich wollen müsse («you just have to want it to work»). Bei unmotivierten Teilnehmern wurde keine Placebo-Wirkung festgestellt.

Wie kann man den Placebo-Effekt nutzen?

Marketing zielt in vielen Bereichen auf eine Erwartungsbildung, indem beispielsweise bestimmte Versprechen wie «Erhöht die Konzentrationsfähigkeit» oder «Spürbar geschmeidigere Haut» abgegeben werden. Die Forschung zeigt: Für einen Placebo-Effekt muss dieses Versprechen interessanterweise nicht zwingend eingelöst werden, aber es hilft, die assoziative Beziehung im Sinne eines Reiz-Reaktionslernens aufzubauen. Die Informationsquellen zur Steuerung der Erwartungen müssen auch nicht aufwendige Werbekampagnen sein. So zeigten Wright und Kollegen (2013), dass oftmals sogenannte «naive Konsumtheorien» unsere Erwartungen gegenüber bestimmten Produkten formen können. Diese «naiven» Einstellungen können beispielsweise Preis («teurer ist besser»), Geschmack («bitter schmeckende Medizin ist wirkungsvoller») oder Knappheit («wenn es wenig davon hat, ist es besser») sein. Diese heuristischen Regeln sind teilweise kostengünstige und mächtige Hebel, welche durchaus einen bedeutsamen Placebo-Effekt auslösen können.

Fazit

Red Bull ist ein Paradebeispiel für effektives Erwartungsmanagement. Neben der nachgewiesenen physiologischen Wirkung (bedingt durch Koffein und Zucker; zu Taurin ist die Beweislage weniger eindeutig) kann dadurch ein bedeutsamer Placebo-Effekt generiert werden. Um die Erwartungsbildung zu steuern, nutzt Red Bull nicht nur offensive Werbekampagnen, sondern macht sich auch die «naiven Konsumtheorien» der Verbraucher zu Nutze. Ein überdurchschnittlich hoher Preis für einen Soft Drink, limitierte Editionen und ein schwer zu imitierender Geschmack führen bei der geneigten Kundschaft dazu, dass tatsächlich in vielen Bereichen beflügelte Leistungen zu verzeichnen sind.


Weiterführende Informationen und Quellen:

Alford, C., Cox, H., & Wescott, R. (2001). The effects of red bull energy drink on human performance and mood. Amino acids, 21(2), 139-150.

Irmak, C., Block, L. G., & Fitzsimons, G. J. (2005). The placebo effect in marketing: Sometimes you just have to want it to work. Journal of Marketing Research, 42(4), 406-409.

Stewart-Williams, S., & Podd, J. (2004). The placebo effect: dissolving the expectancy versus conditioning debate. Psychological Bulletin, 130(2), 324-340.

Wright, S. A., da Costa Hernandez, J. M., Sundar, A., Dinsmore, J., & Kardes, F. R. (2013). If it tastes bad it must be good: Consumer naïve theories and the marketing placebo effect. International Journal of Research in Marketing, 30(2), 197-198.

Autor/in
Dr. Jörn-Basel

Prof. Dr. Jörn Basel

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