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Eine zentrale Aufgabe des deutschen Aufsichtsrats ist die Nominierung einzelner Vorstandsmitglieder. (Symbolbild)

Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen ist ein viel diskutiertes Thema. Es überrascht daher nicht, dass in vielen Ländern der Druck für Reformen wächst, die die Geschlechtervielfalt in Führungspositionen fördern. So ist in Deutschland beispielsweise im Mai 2015 ein Gesetz in Kraft getreten, das für Aufsichtsräte von Unternehmen, die sowohl börsennotiert als auch mitbestimmt sind, eine Quote von 30 Prozent für das unterrepräsentierte Geschlecht vorsieht. Der mitbestimmte Aufsichtsrat besteht dabei sowohl aus einer Arbeitnehmervertretung als auch eine Anteilseignervertretung. Für die Vorstandsmitglieder wurde letztes Jahr ebenfalls eine solche Quote beschlossen (Busse, 2020). Eine zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats ist die Ernennung der Vorstandsmitglieder. Eine Studie hat untersucht, unter welchen Bedingungen durch mehr Frauen im Aufsichtsrat die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass eine Frau in den Vorstand gewählt wird (Bozihnov, Joecks, & Scharfenkamp 2021).

Ausgangslage der Studie

Im deutschen Aufsichtsrat gibt es mehrere Ausschüsse, die unterschiedliche Aufgaben verantworten. Ein zentraler Ausschuss bei der Ernennung von Vorstandsmitgliedern ist der Nominierungsausschuss. Auch der Nominierungsausschuss ist sowohl mit Vertreterinnen und Vertretern auf Seiten der Arbeitnehmer als auch der Anteilseigner besetzt. Die Anteilseignervertreterinnen und -vertreter sind die Aufsichtsratsmitglieder, denen eine grosse Macht bei Entscheidungen zugeschrieben wird, da sie im Sinne der Kapitalgeber handeln. Daher liegt die Vermutung nahe, dass insbesondere Anteilseignervertreterinnen, die im Nominierungsausschuss sitzen, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine Frau in den Vorstand gewählt wird. Die Auswertung eines Unternehmensdatensatzes von 95 deutschen mitbestimmten und börsennotierten Aufsichtsräten und deren Nominierungsausschüsse im Zeitraum von 2009-2016 bestätigen den vermuteten Zusammenhang (vgl. Bozihnov et al., 2021).

Welcher Mechanismus steckt dahinter?

Das Similarity-Attraction-Paradigma von Byrne (1971) ist der führende theoretische Ansatz bei der Analyse von Spillover-Effekten, die durch Frauen in Aufsichtsräten auf Frauen in Vorständen entstehen. Unter Spillover versteht man die Übertragung einer Änderung in einem Bereich auf einen anderen Bereich. Dem Similarity-Attraction-Paradigma zufolge steigt die zwischenmenschliche Interaktion mit demographischer Ähnlichkeit. Individuelle Charakteristika bieten eine hervorstechende Basis für Gruppeninteraktionen (z.B. Tsui et al., 1992). Viele Experimente und Feldstudien zu Einstellungsentscheidungen finden einen positiven Einfluss zwischen der Bewerber-Interviewer-Ähnlichkeit und der wahrgenommenen Bewerberleistung (z.B. Baskett, 1973; McFarland et al., 2004). Im Allgemeinen bevorzugen die Mitglieder einer Gruppe demografisch ähnliche Individuen. So könnten nach dem Similarity-Attraction-Paradigma von Byrne (1971) Aufsichtsratsmitglieder demografisch ähnliche Personen für Vorstandspositionen bevorzugen, z. B. könnte ein Aufsichtsrat mit ausschliesslich männlichen Aufsichtsratsmitgliedern dazu neigen, männliche Manager einzustellen. Dieses Phänomen ist in der Literatur auch als Old Boys’ Networks bekannt (vgl. Allemand et al., 2021). Im Gegensatz dazu kann ein Aufsichtsrat, der sowohl aus Männern und Frauen besteht, eher dazu neigen, weibliche und männliche Manager einzustellen.

Spielen Spillover-Effekte auch ausserhalb des Aufsichtsrats eine Rolle?

Bisherige Studien kommen zu keinem eindeutigen Ergebnis, wenn es um die Frage geht, ob Frauen eher dazu neigen, andere Frauen bei einer Beförderung zu behindern oder zu unterstützen. Einerseits gibt es Studien, die zeigen, dass Frauen auf höheren Hierarchieebenen Frauen auf niedrigeren Hierarchieebenen behindern, was in der Literatur Queen-Bee-Phänomen (Bienenkönigin-Syndrom) genannt wird (Arvate et al., 2018; Merluzzi, 2017; Derks et al., 2016).

Dem gegenüber steht, dass, wenn Frauen als Vorbilder oder Mentoren agieren und aktiv die Förderung von Frauen betreiben, es zur Beförderung von mehr Frauen kommen kann (vgl. Athey et al., 2000). Ng und Sears (2017) zeigen, dass das Vorhandensein eines weiblichen CEOs in einem Unternehmen mit einem höheren Anteil an weiblichen Managern verbunden ist. Auch Studien von Bilimoria (2006), Matsa und Miller (2011) und Wang und Kelan (2013) zeigen eine signifikant positive Korrelation zwischen der Präsenz von Frauen im Management und der Wahrscheinlichkeit eines weiblichen CEOs.

Obwohl die politischen Entscheidungsträger in Deutschland erst letztes Jahr eine Geschlechterquote für Frauen in Vorständen beschlossen haben (Busse et al., 2020), deuten die Studienergebnisse eher darauf hin, dass es nicht notwendig sein müsste, zusätzliche Quoten für Vorstände einzuführen. Jedoch kann der jüngste Beschluss des Deutschen Bundestages zur Einführung einer Geschlechterquote für Vorstände von mitbestimmten börsennotierten Unternehmen auch als eine zusätzliche Initiative für mehr Frauen in Führungspositionen gesehen werden.

 

Quellen und weiterführende Informationen:

Allemand, I., Bédard, J., Brullebaut, B., & Deschênes, J. (2021). Role of Old Boys’ Networks and Regulatory Approaches in Selection Processes for Female Directors. British Journal of Management. DOI: 10.1111/1467-8551.12485

Arvate, P. R., Galilea, G. W., & Todescast, I. (2018). The queen bee: A myth? The effect of top-level female leadership on subordinate females. The Leadership Quarterly, 29(5), 533–548. https://doi.org/10. 1016/j.leaqua.2018.03.002

Athey, S., Avery, C., & Zemsky, P. (2000). Mentoring and diversity. American Economic Review, 90(4), 765–786. https://doi.org/10.1257/aer.90.4.765

Baskett, G. D. (1973). Interview decisions as determined by competency and attitude similarity. Journal of Applied Psychology, 57(3), 343–345. https://doi.org/10.1037/h0034707

Bilimoria, D. (2006). The relationship between women corporate directors and women corporate officers. Journal of Managerial Issues, 18(1), 47–61.

Bozhinov, V., Joecks, J., & Scharfenkamp, K. (2021). Gender spillovers from supervisory boards to management boards. Managerial and Decision Economics. DOI: 10.1002/mde.3311

Busse, C., Roßbach, H., & Schreiber, M. (2020). Was die neue Frauenquote für Unternehmen bedeutet. Available at www.sueddeutsche. de/wirtschaft/frauenquote-vorstand-deutschland-1.5125167. Last access 07/06/2021

Byrne, D. E. (1971). The attraction paradigm (1st ed.). New York: Academic Press.

Derks, B., Van Laar, C., & Ellemers, N. (2016). The queen bee phenomenon: Why women leaders distance themselves from junior women. The Leadership Quarterly, 27(3), 456–469. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2015.12.007

Matsa, D. A., & Miller, A. R. (2011). Chipping away at the glass ceiling: Gender spillovers in corporate leadership. American Economic Review: Papers and Proceedings, 101(3), 635–639. https://doi.org/10.1257/aer.101.3.635

McFarland, L. A., Ryan, A. M., Sacco, J. M., & Kriska, S. D. (2004). Examination of structured interview ratings across time: The effects of applicant race, rater race, and panel composition. Journal of Management, 30(4), 435–452.

Merluzzi, J. (2017). Gender and negative network ties: Exploring difficult work relationships within and across gender. Organization Science, 28 (4), 636–652. https://doi.org/10.1287/orsc.2017.1137

Ng, E. S., & Sears, G. J. (2017). The glass ceiling in context: The influence of CEO gender, recruitment practices and firm internationalisation on the representation of women in management. Human Resource Management Journal, 27(1), 133–151. https://doi.org/10.1111/1748-8583.12135

Tsui, A. S., Egan, T. D., & O'Reilly, C. A. III (1992). Being different: Relational demography and organizational attachment. Academy of Management Proceedings, 37(4), 549–579.

Wang, M., & Kelan, E. (2013). The gender quota and female leadership: Effects of the Norwegian gender quota on board chairs and CEOs. Journal of Business Ethics, 117(3), 449–466. https://doi.org/10.1007/s10551-012-1546-https://link.springer.com/article/10.1007/s10551-012-1546-55

Autor/in
Jasmin Joecks

Prof. Dr. Jasmin Joecks

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