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Martin Hirzel steht seit 2011 als CEO dem Automobilzulieferer Autoneum vor. (Bild: Kalaidos FH)

Martin Hirzel steht seit 2011 als CEO dem Automobilzulieferer Autoneum vor. Der weltweit führende Anbieter von Systemen für Akustik- und Hitzeschutz im Auto mit Sitz in Winterthur beliefert praktisch alle Automobilhersteller rund um den Globus. Bei dem eindrücklichen Turnaround, der dem zum besten Schweizer CEO 2014 gewählten Hirzel gelang, war u. a. die Etablierung neuer Werte und das Leben einer entsprechenden Unternehmenskultur von entscheidender Bedeutung. Anlass für Prof. Dr. Christian Fichter, Leiter unseres Instituts für Wirtschaftspsychologie, Martin Hirzel zum Thema Kultur zu befragen. 

Unsere Studierenden interessieren sich sehr für das Thema Kultur. Eine Frage, die häufig in unseren Veranstaltungen gestellt wird: Ist Kultur wichtig für den Erfolg von Unternehmen?

Innovative Produkte und Technologie, Kostenführerschaft und globale Präsenz sind die wesentlichen Gründe für unseren Erfolg. Aber am Ende sind es die Mitarbeitenden, die dabei den Unterschied machen. Wir wollen, dass unsere Mitarbeitenden mit Leidenschaft und Engagement ihre Aufgaben erfüllen und gleichzeitig ist es unser Bestreben, ihnen dafür ein motivierendes Arbeitsumfeld zu bieten. Das ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmenskultur.

Was ist überhaupt eine gute Unternehmenskultur?

Bei Autoneum ist die Unternehmenskultur kein „Soft Factor“ oder ein „Nice-to-have“. Wir sprechen von einer High Performance Culture, einer sehr diszipliniert gelebten Kultur mit klaren, messbaren Zielvorgaben. Reines Vorgeben strategischer Prioritäten reicht nicht aus. Entscheidend ist vielmehr: Wie erreichen wir das miteinander? Wie kommunizieren wir das? Kultur muss also ein „Hard Factor“ sein. Wir als Chefs leiten das Unternehmen. Daher bestimmen und verantworten wir auch welche Kultur gelebt wird.

Wir produzieren bei Autoneum hochinnovative Produkte, die theoretisch von unseren Konkurrenten kopiert werden können. Was die Konkurrenz aber nicht kopieren kann, ist unsere Unternehmenskultur: die Leidenschaft unserer Mitarbeitenden, das Streben nach Simplicity und ständiger Verbesserung sowie den globalen Spirit voneinander zu lernen innerhalb unserer 50 Werke in 24 Ländern. Indem wir die gleiche Kultur leben, stellen wir sicher, dass sich alle rund 11.000 Mitarbeitenden als Teil von Autoneum fühlen, obwohl sie sich im Laufe Ihrer Karriere nie alle untereinander kennenlernen können.

Und wie messen Sie das?

Hierzu ein Beispiel: Wir mussten ein Werk in der Normandie schliessen, Stellen dort abbauen und die Produktion in ein belgisches Werk verlagern. Nur 12 Monate nach der Entscheidung des Verwaltungsrats war es möglich, das Werk zu schliessen. Ich habe beeindruckt gesehen, wie französische Mitarbeitende die belgischen Kollegen in ihrem Job anlernten – im Wissen: Sobald es der Belgier kann, bin ich meinen Job los. An so etwas kann man unsere Unternehmenskultur messen.

Ausserdem messen wir die Kultur im Rahmen unseres Bonussystems. Mitarbeitende werden in unserem internen Bonussystem von Ihren Vorgesetzten gemäss unserer Werte beurteilt. Theoretisch kann ein verpasstes, klar messbares Finanzziel wettgemacht werden mit dem exemplarischen Vorleben von Werten. Damit zeigen wir jedem unserer sehr digital denkenden Ingenieure, dass es uns ernst ist, und dass die Unternehmenskultur eben kein „Soft Factor“ ist.

Wie etablieren Sie denn Kultur im Unternehmen, so dass sie auch gelebt wird?

Plakate und Bildschirmschoner reichen hier natürlich nicht aus. Wir haben bei Autoneum ein Schulungskonzept eingeführt. Zweimal pro Jahr werden Kurse zum Thema Unternehmenskultur angeboten: Was meinen wir mit High Performance Culture? Was bedeuten unsere Unternehmenswerte und Grundsätze? In welchem Zusammenhang stehen unsere Werte mit unseren strategischen Zielen? Der Besuch einer dieser beiden Kurse ist für eine Beförderung zwingend.

Neue Mitarbeitende durchlaufen ausserdem einen Onboarding-Prozess, bei dem auch die Kommunikation unserer Werte und Unternehmenskultur ein wichtiger Bestandteil ist. Ich will, dass alle unsere Führungskräfte nicht nur unsere strategischen Prioritäten kennen, sondern erklären können, was uns von der Konkurrenz unterscheidet und wie wir bei Autoneum arbeiten. Neben Ausbildung und Bonusrelevanz zeigen wir auch mit konkreten globalen Projekten wie einer Auszeichnung für soziales Engagement, dass wir es ernst meinen.

Sie haben mal gesagt, dass Mitarbeitende ihren Chef mögen wollen. Wie schaffen Sie es, dass Ihre Mitarbeitenden Sie mögen?

Ich erwarte grundsätzlich von meinen Führungskräften und mir selbst, echtes Interesse für die eigenen Mitarbeitenden zu zeigen. Damit mich meine Mitarbeitenden mögen, muss ich mich selbst kennen, also was ich kann und was nicht. Und ich muss authentisch sein. Wichtig ist auch, sich zurückzunehmen, der Expertise im Team Raum zu geben und sich gerne mit Menschen auszutauschen, also nicht zu introvertiert zu sein. Ich habe einen Grossteil meiner Karriere ausserhalb Europas verbracht und dabei die Bedeutung von Diversity gelernt. Die Etablierung einer einheitlichen Unternehmenskultur erspart also keinesfalls die Berücksichtigung länderspezifischer, kultureller Besonderheiten.

Wir danken Martin Hirzel für das Gespräch.

Autor/in
Christian-Fichter

Prof. Dr. Christian Fichter

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