„Einfach immer Weitermachen" ist eher ein Anzeichen für Burnout-Gefährdung als für Resilienz „Einfach immer Weitermachen" ist eher ein Anzeichen für Burnout-Gefährdung als für Resilienz
„Einfach immer Weitermachen" ist eher ein Anzeichen für Burnout-Gefährdung als für Resilienz. (Symbolbild)

Wird es der Himmel oder die Hölle? Die Auguren überbieten sich mit immer gewagteren Szenarios, was Digitalisierung, Künstliche Intelligenz usw. wohl bringen. Tatsache ist: Wir haben keine Ahnung, was wirklich kommt. Was wir aber wissen ist, dass viele besorgt oder gar beängstigt sind. Der Druck wird weiter zunehmen, für Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeitende – denn eines ist sicher: Es wird ziemlich unsicher.

In den vergangenen sechs Jahren habe ich als Coach zahlreiche Führungskräfte begleitet, die auf dem Weg in den Burnout oder bereits zusammengebrochen waren; Menschen, die sich selbst erschöpft hatten, im Versuch dem Druck Stand zu halten. Da ich gleichzeitig aber auch mit vielen Managern arbeitete, die trotz Unsicherheit, Leistungsdruck und Veränderung "z'wäg" waren, stellte sich immer öfter die Frage: Warum geraten unter diesen gleich widrigen Umständen einige an den Rand eines Burnouts, während andere nicht nur gelassen funktionieren, sondern sogar noch wachsen?

Was resiliente Führungskräfte von Burnout-Kandidaten unterscheidet

Seit einigen Jahren gilt Resilienz als der Schlüssel zur Antwort. Um das theoretische Konstrukt griffig zu machen und die Vielzahl der erforschten Resilienzfaktoren zu reduzieren, habe ich meine Arbeit mit Burnout-Betroffenen wie auch resilienten Führungskräften ausgewertet. Die erste Überraschung: Im direkten Vergleich waren die beiden Gruppen sehr ähnlich: mittleres oder höheres Management, anspruchsvolle Funktionen in herausforderndem Umfeld, hochintelligent und sehr erfahren, hohe Ansprüche, hohe Selbstdisziplin gepaart mit der Fähigkeit, unter Druck zu arbeiten.

Was also sind die Unterschiede? Ein erster: Beide Gruppen verfügen über sehr hohe Selbstdisziplin; die Burnout-Betroffenen wenden diese ständig und unreflektiert an, während die resilienten Führungskräfte bewusst entscheiden: Wo ein Projektleiter das gnadenlos unterfinanzierte Projekt mit eigenem Einsatz über die Feiertage zu retten versucht und dennoch unbedingt selbst für die Familienfeier kochen will, ist eine andere Führungskraft in der Lage zu erkennen, dass die hundertprozentige Abteilungsleitung und sein Wunsch nach Familienleben auch mit höchster Effizienz nicht zusammengehen.

Diesen Unterschied in der Bewusstheit bzw. Reflektiertheit stellt Karsten Drath in seiner Matrix als den Unterschied zwischen Härte ("hardiness") und Resilienz dar. Und was hart ist, kann zwar lange Widerstand leisten, wird aber irgendwann brechen – und genau das widerfährt Burnout-Betroffenen.

Unterschied zwischen Härte und Resilienz

Eigene Darstellung adaptiert von Drath, 2016 (Grafik)

Der zweite grosse Unterschied – Beziehungen: Die meisten Burnout-Betroffenen (s.o.) haben keinen guten Kontakt zu sich selbst und nehmen so auch ihre Bedürfnisse nicht gut wahr. Sie lassen daher Beziehungen zu anderen entweder verkümmern und bleiben entweder für sich oder auf der Helfer-Seite. Zwar haben die allermeisten von ihnen Freunde – doch die Gespräche beschränken sich häufig auf Wein, Sport oder sonstige Hobbys. Auf die Frage, wohin er denn mit seinen Sorgen und Nöten ginge, antwortete mir ein Geschäftsführer im Coaching dementsprechend: "Nachts um's Haus…"

Bei den resilienten Führungskräften hingegen zeigt sich: Sie kultivieren authentische Beziehungen, zuerst zu sich selbst und dann auch intensiv zu anderen – insbesondere pflegen sie Freundschaften, mit gemeinsamen Erlebnissen und persönlichen Gesprächen, in denen sie sich auch immer wieder fallen lassen konnten. In seiner Position könne es bei Umstrukturierungen noch schnell einmal heissen "Das Leben muss weitergehen", meinte ein Bereichsleiter, "und dann ist es gut, eins zu haben."

Diese eigene Wahrnehmung und Bewusstheit sowie die Pflege von Beziehungen zu sich selbst und anderen stellen zwei entscheidende Faktoren innerer Stärke und damit Resilienz dar, die helfen, sich unabhängiger von äusserer (Schein-)Sicherheit zu machen. Resiliente Menschen sind dabei nicht immun gegen Unsicherheit oder Stress, sondern nehmen genau diese wahr – und können dann dank guter Beziehung zu sich selbst und anderen sicherer mit der Unsicherheit umgehen.

Lesen Sie auch den ersten Teil der Blogserie zum Thema Resilienz: Unsicher wird's sicher. 

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Quellen und weiterführende Literatur

Drath, K. (2016). Resilienz in der Unternehmensführung. Freiburg: Haufe.

Bengel, J., Lyssenko, L. (2012). Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter; Stand der Forschung zu psychologischen Schutzfaktoren von Gesundheit und Erwachsenalter. Köln: BzgA.

Höfler, M. (2018). Resilienzförderung. Ein kurzer Überblick zum aktuellen Stand der Resilienzforschung. Prävention und Gesundheitsförderung, 1.

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