Unsichere Zeiten stehen uns bevor Unsichere Zeiten stehen uns bevor
Uns stehen unsichere Zeiten bevor. (Symbolbild)

Veränderung war immer, doch die Geschwindigkeit, mit der sich heute Gewissheiten auflösen, ist atemberaubend: Hatte sich gerade erst der Gedanke durchgesetzt, dass eine Ausbildung am Anfang der Karriere nicht für die ganze Dauer des Berufslebens reicht, so taucht nun das unheimliche Szenario auf, dass viele qualifizierte Menschen trotz lebenslangen Lernens bald von Maschinen ersetzt werden könnten. Und auch Leistung schwächelt als Garant für Erfolg: Immer mehr Angestellte erleben, dass sie trotz konstanter "Performance" plötzlich "redundant" werden. "Lerne, leiste, spare was, dann wirst du, bist du, hast du was." – spätestens seit Negativzinsen Sparguthaben auffressen, ist auch der letzte Rest dieses Glaubenssatzes von Babyboomern und Generation X dahin. 

Diese Unberechenbarkeit der Zukunft scheint uns auch deswegen so bedrohlich, da wir am Ende eines "historischen Ausnahmefalls" leben, wie der Soziologe Armin Nassehi schreibt. Die Zeit seit Ende des zweiten Weltkriegs war eine Periode von in der Geschichte ungesehener gesellschaftlicher und sozialer Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität (in den westlichen Industrieländern wohlgemerkt!). In dieser Periode hat es der "autarke Industriestaat des Westens für eine Weile geschafft, den Eindruck zu erzeugen, die Welt lasse sich kontrollieren, Risiken und Konflikte liessen sich einhegen. Und eine für viele attraktive Idee hervorgebracht: Dass es "Normallebensverläufe" gebe, in denen Erfolg machbar ist, wenn man sich nur ordentlich reinhängt.

Die Einsicht, dass das Leben nicht ganz so willfährig auf die eigenen Ideen und Pläne reagiert, löst bei vielen ein unterschwelliges Gefühl der Unsicherheit aus – bekanntermassen die "kleine Schwester von Angst und Stress". Und der Versuch, diese so unangenehmen Gefühle zu vermeiden, führt in einige beliebte Sackgassen:

Gewissheiten

Wenn alles unsicher und mehrdeutig erscheint, geben viele der Sehnsucht nach zweifelsfreier Eindeutigkeit, nach klaren und überschaubaren Weltbildern nach – sei es politisch, religiös oder in der Ernährung ("Alles andere als vegan ist Gift!"). Gewissheit führt aber, wie „Brand eins“-Mitbegründer Wolf Lotter schreibt, letztlich zu maximaler Unsicherheit: "Sie verhindert Risiken realistisch einzuschätzen, und sie verstellt den Blick auf Chancen."    

Kopf in den Sand

Die seit Menschengedenken beliebte Vogel-Strauss-Strategie, Anzeichen von Veränderung in der Umwelt sowie eigene unangenehme Gefühle dazu nicht wahrzunehmen. Das krampfhafte Festhalten am Status Quo hat zwar auf Dauer nie geholfen, kostet dafür aber enorme Energie.    

Kontrolle

Wir versuchen, das Unkontrollierbare mit immer mehr Kontrolle zu zähmen, die Unsicherheit wegzumachen – sei es mit perfektionistischer Gestaltung des persönlichen Umfelds oder der Kontrolle der unkontrollierbaren Welt mit immer mehr Vorschriften, Regeln, Gesetzen und Compliance. Dumm nur, dass dabei das Gefühl der Unsicherheit nicht kleiner, sondern nur die Zahl der Anwälte grösser wird – in der Schweiz hat sie sich seit Mitte der 90er Jahren verdoppelt.

Vor allem die beiden letzten Strategien wirken dabei gerne auch als Brandbeschleuniger für Burnout. Doch was wäre die Alternative? Nachdem die Strategien versagen, Unsicherheit "wegzumachen", bleibt nur: Sicherer werden im Umgang mit Unsicherheit. Wenn es zunehmend weniger Sicherheit im Aussen gibt, braucht es mehr "innere Sicherheit", echte Selbst-Sicherheit. Diese innere Stärke nennt sich Resilienz, die es einem ermöglicht, auch unter Druck und Unsicherheit nicht nur zu funktionieren, sondern auch zu wachsen und zu gedeihen.

Lesen Sie im nächsten Teil: Sicher im Unsicher-sein: Was resiliente Führungskräfte von Burnout-Kandidaten unterschiedet. 

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Quellen und weiterführende Literatur

Nassehi, A. (2018). Geht doch auch so. Die Zeit 28.
Lotter, W. (2018). Die innere Sicherheit. brand eins 3.
Peters, A. (2018). Unsicherheit: Das Gefühl unserer Zeit. München: Bertelsmann.

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