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Dürfen Strafverfolgungsbehörden in sozialen Medien recherchieren? Wenn ja unter welchen Voraussetzungen? (Symbolbild)

Das Angebot von digitalen Plattformen für die Interaktion zwischen ihren Nutzerinnen und Nutzern ist sehr breit. Ein Grossteil der Bevölkerung nutzt diese sozialen Medien zur Kommunikation mit anderen. Auch Kriminalität entsteht vielfach durch Interaktion zwischen Menschen. Dies schlägt sich auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik nieder. Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz rund 33'000 Straftaten mit einer digitalen Komponente registriert. Es besteht also eine gewisse Gefahr, dass im digitalen Bereich rechtsfreie Räume entstehen. Denkbar sind dabei verschiedene Formen von kriminellen Handlungen, wie etwa der Aufruf zu Gewalt, Rassendiskriminierung, aber auch der Handel mit illegalen Waren oder die Verabredung zu strafbaren Taten.

Dürfen Strafbehörden googeln?

Mit der Bachelorarbeit wurde untersucht, ob die staatlichen Strafverfolgungsbehörden die sozialen Medien auch für den Zweck der Aufklärung von Straftaten benutzen dürfen, insbesondere auch durch Eindringen in geschützte Bereiche der Nutzerinnen und Nutzer von Social-Media-Plattformen. Dafür wurde ein Vergleich zum realen Raum erstellt, etwa zu einem Restaurant oder einem Ladengeschäft, wo es auch öffentlich zugängliche und private Bereiche gibt. Um es vorweg zu nehmen: Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass die Nutzung von sozialen Netzwerken jedermann zusteht, also auch den Strafbehörden für Online-Ermittlungen. Dabei sind jedoch gewisse Grenzen zu beachten.

Schutz der Privatsphäre auch in sozialen Medien?

Soziale Medien sind definitionsgemäss Plattformen für Menschen, welche die Öffentlichkeit suchen. Andererseits stellen die Grundrechte wie etwa die Achtung des Privat- und Familienlebens oder das Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnis gewisse Schranken auf, welche beim staatlichen Handeln stets zu beachten sind. Fraglich ist jedoch, ob sich Personen, welche die Öffentlichkeit gerade mit Social-Media-Plattformen suchen, unbeschränkt auf den Schutz der Privatsphäre und ihrer persönlichen Daten berufen können. Was für andere sichtbar ist, kann mittels Privatsphäre-Einstellungen gewählt werden. Zum Vergleich ist gemäss Rechtsprechung ein Gespräch nur dann privat, wenn es im privaten Umfeld, also z. B. in einer Wohnung, geführt wird. Diese Eigenschaft fehlt ihm, wenn es von beliebigen Dritten mitgehört werden kann. Sowohl im realen als auch im digitalen Raum gilt also der Grundsatz, dass eine für alle hör- bzw. lesbare Unterhaltung nicht als privat gilt.

Grenzen der Nutzung durch Strafbehörden

Das Polizei- und Strafprozessrecht enthält Vorschriften, welche Private vor übermässigen Eingriffen schützen. Gemeint sind damit Fälle, welche über das rein passive Mitverfolgen von Chats und Blogs über kurze Zeit hinausgehen. Also etwa die aktive Kontaktaufnahme unter Vorspiegelung eines falschen Namens (da eine offene Kontaktaufnahme im Namen der Polizei wohl wenig praktikabel wäre).

In der Literatur umstritten ist, wo die Grenzen für solche (verdeckten) Massnahmen zu setzen sind. So sind einzelne Autoren der Meinung, dass die aktive Kontaktaufnahme im Netz immer als verdeckte Ermittlung gelten soll, welche in jedem Fall einer besonderen Anordnung bedarf. Andere Autoren vertreten die Ansicht, dass einfache Lügen zur Fahndung in sozialen Medien zulässig sind. Zu beachten ist dabei auch, dass die Kontaktaufnahme in sozialen Medien unter einem Pseudonym ohne weiteres möglich oder sogar üblich ist. Das Gegenüber darf sich also nicht darauf verlassen, dass die im sozialen Netzwerk verwendete Identität auch zutrifft.

Bei der Beurteilung des listigen Verhaltens der Strafbehörden in Social Media ist nicht auf das Vorgehen an sich, sondern auf die Intensität, die Dauer und den Zweck der aktiven Kontaktaufnahme abzustellen. Ist die Schwelle des Anfangsverdachts überschritten und dient die Kommunikation oder Beobachtung nicht mehr nur der reinen Erkennung oder Verhinderung von Straftaten, sondern der Beweissicherung, sind unbedingt die Vorschriften der Strafprozessordnung anzuwenden.

Wäre es nicht besser, präventiv zu handeln?

Die meisten Nutzerinnen und Nutzer dürften zustimmen, dass soziale Netzwerke nicht zu rechtsfreien Räumen werden sollen. Gefordert sind dabei auch die Plattformbetreiberinnen, welche eine gewisse Verantwortung für die Inhalte haben. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Zusammenarbeit zwischen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie Social-Media-Anbietern. Aus präventiver Sicht ist dabei die Rolle von sogenannten «Trusted Flaggers» von Bedeutung. Dabei handelt es sich um Behörden oder Nichtregierungsorganisationen, welche besonders vertrauenswürdig sind und strafrechtlich problematische Inhalte direkt und priorisiert an die Plattformbetreiberinnen melden und damit eine rasche Löschung herbeiführen können. Aber auch normale Nutzerinnen und Nutzer haben die Möglichkeit, widerrechtliche Inhalte zu melden und damit eine Prüfung und Löschung zu veranlassen. Damit soll in der anonymen Welt der sozialen Medien eine gewisse «soziale Kontrolle» spielen.

Und warum sind auch die Nutzerinnen und Nutzer gefordert?

Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Netzwerken müssen sich bewusst sein, dass Inhalte, welche sie teilen, unter Umständen für alle sichtbar und damit auch nicht mehr privat sind. Wichtig ist aber auch die Wahrnehmung, dass im digitalen Raum Regeln gelten. Oder um es mit einem Vergleich zum realen Raum aufzuzeigen: Der Strassenbenutzer muss sich im Klaren sein, dass Radarmessgeräte die Geschwindigkeit überprüfen oder die Barbetreiberin sollte wissen, dass der Barbereich nicht mehr uneingeschränkt zur Privatsphäre gehört und damit unter Umständen auch von der Polizei kontrolliert werden darf.

Quellen und weiterführende Informationen

Bachelor-Arbeit des Autors

Bürge, L. (2018). Polizeiliche Ermittlung und Untersuchung.

Cartner, A. & Schweingruber, S. (2021). Strafbehörden dürfen googeln. In AJP (S. 990 ff).

Gless, S. (2012). Strafverfolgung im Internet. In ZStrR (130, S. 3 ff).

Hansjakob, T. (2014). Verdeckte polizeiliche Tätigkeit im Internet. In forumpoenale (4, S. 244 ff).

Hansjakob T. (2017). Überwachungsrecht der Schweiz. Zürich Basel Genf.

Rosengarten C. & Römer, S. (2012). Der «virtuelle verdeckte Ermittler» in sozialen Netzwerken und Internetboards. In NJW (25, S. 1764 ff).

Tiefenthal, J. M. (2018). Kantonales Polizeirecht der Schweiz. Zürich Basel Genf.

Autor/in
Lukas Meier

Lukas Meier

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