Verschiedene Hüte in schwarz-weiss Verschiedene Hüte in schwarz-weiss
Hüte sind auch heute noch Statussymbol oder Zeichen kultureller Zugehörigkeit. (Bild: Generiert mit deepai, Prompts: “I would like to have a picture with six people: 1. carries a top hat, 2. carries a slouch hat, 3. carries a straw hat, 4. carries a maid's bonnet, 5. carries a crown, 6. carries feather headdress”

Kopfbedeckungen prägen unser Bild von gesellschaftlichen Schichten, Kulturen und Nationen, sei es die Haube einer Magd im Mittelalter oder der Schlapphut eines Arbeiters in einer der vielen Fabriken zur Gründerzeit, das gold-blau gestreifte Königstuch der Pharaonen oder die Krone der im letzten Jahr verstorbenen Queen Elisabeth II. Vielleicht haben Sie sich in Ihren Sommerferien auch einen dieser Strandhüte aus Stroh gekauft und das Urlaubssouvenir bis in die Schweiz gerettet. Kopfbedeckungen scheinen uns viel über den Träger oder die Trägerin zu verraten. So hat sich der Spruch «Das ist ein alter Hut» fest in unserer Alltagssprache verankert. Ebenso kennen wir aus dem Geschäftsleben die Bezeichnung der Hüte als «Projektleitungshut», «Mitarbeiter:innenhut», «Hut der Vorgesetzten», die sich manche Kollegen oder Kolleginnen gern aufsetzen und – je nach geforderter Perspektive – imaginär wechseln. Was hat es also mit den Hüten auf sich?

Geert Hofstede und der Hut

Der niederländische Wissenschaftler Geert Hofstede (1928-2020) schien kein grosser Hutträger zu sein. Bei einer kleinen Internetrecherche gab es nur ein Foto von ihm mit Hut – und zwar bei einem Vortrag, auf dem er im Gelehrtenrock und Hut, die ihn als Professor ausweisen, abgelichtet wurde. Hofstede ist vor allem für seine Entwicklung verschiedener Kulturdimensionen bekannt, die auf einer IBM-Mitarbeiterbefragung zwischen 1967-1972 beruhen. Damals wurde noch nicht gegendert und es wurden tatsächlich mehrheitlich Männer befragt. Ziemlich alt, diese Studie – aber sind diese Kulturdimensionen ein «alter Hut»? Dieser Frage wollen wir nachgehen.

Kulturdimensionen nach Hofstede

Auf Basis der IBM-Studie hat Hofstede vier Kulturdimensionen entwickelt, die sich um das Verhalten von Mitarbeitenden und Vorgesetzten und ihrer Beziehung zueinander drehen: Power Distance (Machtdistanz), Individualism vs. Collectivism (Individualismus vs. Kollektivismus), Masculinity vs. Femininity (Maskulinität vs. Femininität) und Uncertainty Avoidance (Unsicherheitsvermeidung). Doch die damals zusammengetragenen Daten sind nicht die, die uns heute vorliegen. Durch die Ausweitung nicht nur auf einzelne Unternehmen, sondern auf eine Vielzahl an Ländern, Wiederholungsstudien und weiterführende Analysen sind zwei weitere Kulturdimensionen ergänzt worden: Long-Term Orientation (lang- vs. kurzfristige Ausrichtung) und Indulgence vs. Restraint (Nachgiebigkeit vs. Beherrschung) (Hofstede, 2001).

Problematisch ist sicher, dass die Auswertung anhand der Landesgrenzen erfolgt und damit unterschiedliche Kulturen, Sprachregionen und Zugehörigkeitsgefühl zu ethischen Gruppen oder Nation miteinander vermischt werden. Besonderheiten wie der «Röstigraben» werden nicht erfasst. Auf der anderen Seite gibt es keine weitere allumfassende Studie, die so viele Befragte und so viele Länder einschliesst. Diese Kritikpunkte sind richtig und selbst Hofstede war sich ihrer bewusst, jedoch bieten die Kulturdimensionen auch heute noch Hilfestellung.

Der Einsatz des “Country Comparison Tool” im Projektmanagement

Es gibt auf der Website Hofstede-Insights.com ein Tool, mit dem bis zu vier Länder miteinander verglichen werden können. Neben dem Chart (siehe Abb. 1) werden jeweils die Indexe der Dimensionen erklärt und zueinander in Beziehung gesetzt. Zudem wird zu jedem Land die Datenquelle angegeben, so dass für die User:innen transparent ist, wann die Daten der jeweiligen Länder erhoben wurden und sich deshalb ggf. die Zeitpunkte unterscheiden. Sicherlich ist bei der Nutzung im Hinterkopf zu behalten, was der Ursprung dieser Befragungen ist und dass es sich um quantitative Erhebungen handelt. Länder werden aufgrund ihrer Grenzen geclustert – und nicht aufgrund anderer Identitäten/Zugehörigkeiten. Dies ist erst einmal eine sehr grobe Einteilung, die u.a. für die Schweiz mit ihren vier Sprachgruppen und damit verbundenen kulturellen Unterschieden sehr rudimentär ist. Doch sind sich User:innen dieser Unterschiede bewusst, besteht die Möglichkeit, die Schweiz z.B. mit Deutschland, Frankreich oder Italien zu vergleichen und ggf. eines dieser Länder als Ausgangspunkt für Vergleiche mit anderen Ländern heranzuziehen. Das Tool sollten Sie nicht «blind» nutzen, sondern – wie bei anderen Studienergebnissen auch – das Ziel der Studie, die Datenlage und die Sinnhaftigkeit der Verwendung der Ergebnisse für sich hinterfragen und entsprechend einsetzen.

Kulturdimensionen: Country Comparison Tool
Abb. 1: Vergleich der Kulturdimensionen am Beispiel Schweiz, Vereinigte Arabische Emirate, England und Vereinigte Staaten von Amerika (Grafik: Hofstede Insights)

Vielleicht haben Sie mehrere Hüte – nutzen Sie sie

Sollten Sie beispielsweise die Leitung für ein Projekt übernehmen, dessen Projektpartner:innen in England, den USA und in den Vereinigten Arabischen Emiraten sitzen und Ihre Stakeholder:innen diesen Kulturkreisen angehören, sollten Sie sich bereits im Vorfeld Gedanken um Projektpläne und die Kommunikationsmatrix machen. Haben Sie dann einen umfangreichen Projektplan erarbeitet, können Sie nicht damit rechnen, dass es von allen gleich geschätzt wird, diesen aktuell halten zu müssen. Wahrscheinlich werden manche Ihrer Forderung gar nicht nachkommen. Die Machtdistanz zwischen Projektmitarbeitenden und dem Senior Management ist im angelsächsischen Raum zwar ähnlich, dagegen verhält sich diese in den Vereinigten Arabischen Emiraten unterschiedlich. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass britische und amerikanische Staatsangehörige in gleicher Weise kommunizieren. Aber die Kulturdimensionen sind durchaus hilfreich, um sich auf ein internationales Projekt vorzubereiten. Vielleicht haben Sie auch eines im Hinterkopf, welches nicht so gut gelaufen ist. Dann gehen Sie doch mal auf Hofstede-Insights.com und schauen Sie, ob Sie und Ihre Stakeholder/innen sich in den Erklärungen wiederfinden.

Fazit

Die Globalisierung scheint zwar die Welt etwas kleiner gemacht zu haben, aber Kulturen und Traditionen verändern sich deswegen nicht. Vergessen Sie den Kommentar über den «alten Hut» (so alt sind die Kulturdimensionen nicht), setzen Sie sich immer mal einen neuen auf oder wechseln Sie ihn. Schliesslich machen Sie das jetzt gerade auch: Den Strohhut im Schrank verstauen und schon einmal langsam die Wintermütze hervorkramen, irgendwo wird es im Herbst hoffentlich schon Neuschnee für die erste Skiabfahrt der Saison geben.

Quellen und weiterführende Informationen

Geert Hofstede. Professional Life.

Hofstede, G. (2001). Culture’s Consequences: Comparing Values, Behaviors, Institutions and Organizations Across Nations (2nd ed.). Sage Publications.

Hofstede Insights. Country Comparison Tool.

Hofstede Insights. Country Comparison Tool. Switzerland - United Arab Emirates - United Kingdom - United States.

Facebook Twitter Xing LinkedIn WhatsApp E-Mail