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Florian Artinger ist Mitgründer von Simply Rational. Er arbeitet an der Schnittstelle zwischen Data Science, Management und Psychologie. (Bild: Kalaidos FH)

Simply Rational ist spezialisiert auf Beratung, Training und Organisationsentwicklung in den Bereichen Data Science/Machine Learning, in Kombination mit verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen. Die Angebote von Simply Rational helfen Organisationen, in einer komplexen Welt kompetent mit Risiken und Unsicherheit umzugehen. Simply Rational ist ein Spin-Off aus dem Max-Planck-Institut welches weltweit führend ist in der Entscheidungsforschung.

Simply Rational befasst sich primär mit Entscheidungsstrategien. Wie irrational – oder rational – entscheiden Unternehmen, bzw. wir Menschen, wirklich?

Konkret zu sagen, was rational oder irrational ist, finde ich schwierig. Vermeintliche Irrationalität hat oftmals mit fehlenden Kompetenzen und Wissenslücken zu tun und damit, dass gewisse Dinge noch nicht erprobt wurden. Für uns sind deshalb gerade Lernprozesse und die Notwendigkeit mit verschiedenen Optionen zu experimentieren spannend, da man dadurch Unternehmen wirklich weiterhelfen kann.

Haben Sie ein konkretes Projektbeispiel, welches Ihre Arbeit gut veranschaulicht?

Wir arbeiten unter anderem mit unterschiedlichen Finanzinstitutionen zusammen und befassen uns dabei beispielsweise mit Personen, die Schulden haben. Wie können diese Personen aus der Schuldenspirale wieder herauskommen und offene Rechnungen begleichen? Klassischerweise erhält man zwei, drei Rechnungen, die dann – wenn keine Zahlung erfolgt – ans Inkasso und ins Gerichtsverfahren übergehen. Dabei interessieren die Gründe für die Schulden oft überhaupt nicht.

Und Sie haben sich die Gründe für die Verschuldungen näher angeschaut?

Genau. Es gibt eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen Ursachen, warum Personen Schulden haben, z. B. bedingt durch einschneidende Ereignisse wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Andere Gründe sind beispielsweise, dass jemand, der total überarbeitet ist und viel zu tun hat, Rechnungen auch einfach mal vergisst. Oder jemand war unzufrieden mit dem Service. Das alles über einen Kamm zu scheren, erschien uns nicht sinnvoll.

Was für einen verhaltenswissenschaftlichen Ansatz haben Sie gewählt?

Wir haben auf Basis von realen Kundendaten ein Machine-Learning-Modell erstellt, mit dem wir Vorhersagen treffen konnten, warum eine Person die Schulden nicht zahlt. Darauf aufbauend wurde eine verhaltenswissenschaftliche Intervention durchgeführt. Zum Beispiel kann bei Personen, die prinzipiell zahlen könnten, aber momentan einen Zahlungsengpass haben, die Zahlungsfrist auf Anfang des nächsten Monats verlängert werden. Durch diesen einfachen Hebel konnte die Zahlungsmoral deutlich verbessert werden.

Gute Entscheidungen zu treffen ist nicht nur ein Thema für Unternehmen. Auch die Politik kann davon profitieren. Wo sehen Sie hier Beratungsbedarf für psychologisch abgestützte Beratung? 

Wichtig ist, dass man weggeht von einer Argumentation, die primär aus einer politischen Einstellung resultiert, hin zu einer evidenzbasierten Argumentation. Das heisst, dass man unterschiedliche Ideen, die funktionieren könnten, einbringen kann – aber dann damit auch ins Feld geht und diese testet. Nur so kann man wirklich sinnvolle und effiziente Lösungen schaffen. Allein aufgrund von Dogmen zu handeln, scheint mir in einer komplexer werdenden Welt zu kurz gegriffen, gerade auch in der Politik. 

Simply Rational befasst sich auch mit Big Data und Machine Learning. Wo sehen Sie bei diesen Trendthemen die grössten Chancen, aber auch Grenzen?

Wichtig ist, dass man sich im Vorfeld überlegt, was konkret die relevanten Probleme sind und ob diese mit einem grossen Datensatz wirklich gelöst werden können. Also kein blindes Draufloslaufen, sondern ein zielfokussiertes Vorgehen: welche Daten brauche ich überhaupt? Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie stark der Mensch in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden soll. In der Medizin oder im Recht ist es häufig unabdingbar, nachvollziehen zu können, warum eine Entscheidung getroffen wird. Darüber hinaus sehen wir häufig, dass wenn Mensch und Maschine zusammenwirken, die Ergebnisse deutlich besser sind als wenn nur die Maschine entscheidet. 

Wie genau setzen Sie dies um?

Klassische Black-Box Modelle aus dem Machine Learning generieren Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen, bei denen man nicht weiss, was die Gründe hierfür sind. Auf der anderen Seite entwickeln wir für unsere Kunden transparente Lösungen, sogenannte Simple Artificial Intelligence. Auch diese sind Machine Learning Modelle, allerdings sind sie hinreichend einfach und der Mensch kann nachvollziehen, warum eine Vorhersage gemacht wird oder eine Entscheidung von der Maschine empfohlen wird. Dies erlaubt eine effektive Kombination von menschlicher und künstlicher Intelligenz.

Könnte man solche Modelle auch für Ihr Beispiel der Verschuldungen benutzen?

Auf jeden Fall. Beispielsweise kann man dies im Kundencenter anwenden. Bei einer Black-Box weiss etwa der Mitarbeiter im Kundencenter nicht, wieso der Schuldner in eine gewisse Kategorie eingestuft wurde. Dagegen können die Mitarbeitenden mit einer Simple Artificial Intelligence im Kundencenter sehr gut die Entscheidung nachvollziehen und dadurch besser auf die Kundschaft eingehen. Gerade diese spannende Kombination von Mensch und Maschine, um bessere Entscheidungen zu generieren, erscheint mir wichtig, wird aber noch wenig genutzt. Hier spielt für mich die Zukunftsmusik.

Weiterführende Informationen und Quellen:

Simply Rational

Autor/in
Dr. Jörn-Basel

Prof. Dr. Jörn Basel

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