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Bedingungsloses Grundeinkommen: Freiheit, sich nach den eigenen Interessen zu engagieren oder Ausrede, um sich auf die faule Haut zu legen? (Symbolbild)

Technologie-Pioniere erwarten, dass durch die digitale Transformation ein grosser Teil der Arbeitsplätze wegfallen wird. Erleben wir bald die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE)? Wie wichtig ist uns Leistungsgerechtigkeit? Gibt es Formen eines BGE, die mit Leistungsgerechtigkeit vereinbar sind?

Was ist mit dem BGE gemeint?

Das bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ist eine finanzielle Zuwendung, die allen zusteht. Damit unterscheidet es sich von Sozialhilfe und von der sogenannten negativen Einkommenssteuer, bei der ausschliesslich Personen mit tiefen Einkommen Steuergutschriften erhalten. Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass die Höhe des BGE je nach Alter unterschiedlich angesetzt und das BGE das heutige Sozialsystem ersetzen würde. Unabhängig davon, ob jemand arbeitet, würde die Person genügend Geld erhalten, um ein würdiges Leben zu führen.

Begründungen und politische Chancen

Spannend an der Debatte ist, dass es auf der politisch linken und rechten Seite sowohl Befürworter als auch Gegner des BGE gibt. Aus linker Perspektive geht es beim BGE vor allem um Freiheit, aus rechter Perspektive vor allem um Effizienz. Aber ist das Anliegen auch mehrheitsfähig? Und welche weiteren Begründungen gibt es?

Pro

Befürworter argumentieren, das BGE schaffe die Voraussetzung für eine freie Gestaltung des Lebens auch mit Tätigkeiten, die nicht entlohnt werden, wie die Betreuung pflegebedürftiger Verwandten oder kulturelle Aktivitäten. Zudem entfalle die Stigmatisierung Erwerbsloser. Dadurch erhöhe sich die Risikobereitschaft und Innovation.

Ein anderes Argument von Befürwortern lautet, dass grosse Teile der Bevölkerung bereits heute auf Sozialleistungen angewiesen sind. Durch die Bedarfsprüfungen verursache das heutige Sozialsystem einen enormen bürokratischen Aufwand und sei damit weniger effizient als ein BGE.

Contra

Gegner stören sich an der fehlenden Leistungsgerechtigkeit. Das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit ist tief in uns verwurzelt. Wir haben eine Abneigung gegen Trittbrettfahrer, die ohne eigene Anstrengung von der Leistung anderer profitieren. Es liegt zwar ebenso in unserer Natur zu helfen – aber nur, wenn jemand Hilfe benötigt. Eine Bedarfsprüfung erfüllt diesen Anspruch.

Sozialhilfe geht oft über das Finanzielle hinaus. Der Vorschlag, sie könnte durch das BGE ersetzt werden, greift zu kurz. Unterstützungsangebote wie Beratungen wären weiterhin nötig. Vor diesem Hintergrund erstaunt es kaum, wenn vor drei Jahren 76,9 Prozent der Stimmenden die Einführung eines BGE in der Schweiz ablehnten. Es müssten weitere, starke Argumente dazukommen, um ein BGE mehrheitsfähig zu machen.

Notwendigkeit

Ein neues Argument könnte die veränderte Arbeitssituation im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung sein. Die Digitalisierung werde einen grossen Teil der Arbeitsplätze rauben, wird von manchen vorausgesagt. Das BGE sei dann schlicht unumgänglich, meint etwa der Philosoph Richard David Precht. Ob diese Voraussagen eintreffen werden, kann naturgemäss niemand sagen. Zumindest in der Schweiz gibt es bis heute kaum Anzeichen dafür. Wenn es aber so weit kommt, wäre die Ausgangslage für eine Volksabstimmung eine andere als heute.

Wenn der politische Wille vorhanden ist, wäre ein BGE auch finanzierbar. Werden wie heute Kapital und Arbeit besteuert, so verschieben sich die Steuern von der Arbeit zum Kapital. Bis – im Extremfall – niemand mehr arbeitet und alle Güter und Dienstleistungen von Roboter produziert werden. Bedingung ist, dass dort automatisiert wird, wo der Produktivitätsfortschritt hoch genug ist, um das BGE für die nicht mehr benötigten Arbeitskräfte zu finanzieren. Bei einer wenig produktiven Automatisierung würde die Rechnung nicht aufgehen.

Erträge aus natürlichen Ressourcen

Weiter lässt sich argumentieren, dass alle von Geburt an ein Anrecht auf Erträge (genauer: ökonomische Renten) aus den natürlichen Ressourcen ihres Landes haben. In Alaska werden seit vielen Jahren Erträge aus Konzessionen an Erdölfirmen an die Bevölkerung ausgeschüttet – rund 1000 Dollar pro Person und Jahr. Diese Begründung für ein BGE ist heute wenig bekannt.

Auch in der Schweiz gibt es Erträge aus natürlichen Ressourcen, beispielsweise eine halbe Milliarde Franken aus Konzessionen für die Nutzung der Wasserkraft. Manche Gemeinden haben Erträge aus Boden, den sie verpachten oder im Baurecht vergeben. Diese Erträge könnten als BGE verteilt werden. Die Wertsteigerungen von Boden, die durch den Ausbau von Bahn und Strasse entstehen, werden heute nicht abgeschöpft. Diejenigen durch Umzonungen nur zu einem kleinen Teil. Auch solche Erträge könnten für ein BGE verwendet werden. Dasselbe gilt für Umwelt- oder Lenkungsabgaben wie die Schweizer CO2-Abgaben, die heute nur teilweise an die Bevölkerung zurückverteilt werden.

Fazit

Solange uns die Arbeit nicht ausgeht und wir die Frage nach einem BGE unter dem Gesichtspunkt der Leistungsgerechtigkeit betrachten, werden wir die übliche Form eines BGE ablehnen. Aus diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt wäre hingegen ein partielles BGE aus Erträgen von natürlichen Ressourcen und Umweltabgaben. Es existiert in Ansätzen schon heute und könnte ausgebaut werden. Bei einer konsequenten Realisierung wären das immerhin ein paar tausend Franken pro Kopf und Jahr. 

Wie würden Sie damit umgehen, wenn sich jemand in Ihrer Nachbarschaft mit dem BGE auf die faule Haut liegen würde? Was meinen Sie, sollten die 380 Millionen Franken, die der Bund im Februar aus der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen eingenommen hat, an die Bevölkerung verteilt werden? Lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen.


Weitergehende Literatur und Quellen:

Baker, J. A. und weitere (2017). The conservative case for carbon dividends. Climate Leadership Council. https://www.clcouncil.org/media/2017/03/The-Conservative-Case-for-Carbon-Dividends.pdf

Clifford, C. (2018). Elon Musk: Free cash handouts ‘will be necessary’ if robots take humans’ jobs. https://www.cnbc.com/2018/06/18/elon-musk-automated-jobs-could-make-ubi-cash-handouts-necessary.html (abgerufen am 20.03.2019)

OECD (2019). Measuring the Digital Transformation. A Roadmap for the Future. OECD, Paris.

Rustagi, D., Engel, S., Kosfeld, M. (2010). Conditional cooperation and costly monitoring explain success in forest commons management. Science 330, 961-965.

Swiss Life (2018). „Wir müssen lernen, angemessen mit Technik umzugehen“. Interview mit Richard David Precht. https://www.swisslife.com/de/hub/interview-richard-david-precht.html (abgerufen am 20.01.2019)

Wilder, M. (2018). Debating basic income: distributive justice and the normative-technical nexus. Canadian Journal of Political Science, 51, 279-303.

Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Bedingungsloses_Grundeinkommen (abgerufen am 20.03.2019)

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