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Sich einen guten Schlaf anzueignen – wie gelingt das? (Symbolbild)
Wir schlafen ein Drittel unseres Lebens. Schlaf ist lebensnotwendig. Und doch räumen wir dem Schlaf nicht die Bedeutung ein, die er haben sollte. Wir schlafen zu wenig, schlafen schlecht – und trinken dann einen Kaffee. Wie können wir Schlaf von seinem schlechten Ruf befreien? Wie kommen wir zu einem guten Schlaf? Theo Wehner ist emeritierter Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie der ETH Zürich. Er hat seine Expertise in die Ausstellung «Schlaf gut» des Vögele Kulturzentrums eingebracht. Im Vorfeld der Ausstellung sprechen wir mit ihm über die Bedeutung von Schlaf.

Herr Professor Wehner, warum schlafen wir?

Die Frage ist so trivial wie rätselhaft. Bis heute ist nicht wirklich wissenschaftlich belegt, warum wir schlafen – und das erst noch ein Drittel unseres Lebens. Die einfachste Antwort ist: Schlaf ist das beste Mittel gegen Müdigkeit. Wir erholen uns beim Schlaf, und bauen unsere Leistungsfähigkeit wieder auf. Fragt man allerdings jemanden, was er macht, wenn er müde ist, kommen die verschiedensten Antworten, von Kaffee trinken bis zum Fenster aufmachen. Müdigkeit «bekämpfen» wird nicht mit Schlaf assoziiert, sondern mit zahlreichen Strategien beantwortet.

Welche Bedeutung hat Schlaf in der 24-Stunden-Gesellschaft?

Schlaf ist ein vernachlässigtes Thema, er hat keinen guten Ruf: Man hat etwas «verschlafen» oder ist eine Schlafmütze. Schlaf ist häufig negativ konnotiert, aber überlebenswichtig. Politiker, Manager und weitere Führungskräfte sind teilweise stolz darauf, wenig zu schlafen. Das ist ein Risiko und nicht vertrauensbildend. Ich werde hochgradig misstrauisch, wenn ich solche Aussagen höre. Ein Schlafdefizit, schon von wenigen Stunden über die Woche aufgehäuft, führt dazu, dass Personen handeln, als hätten sie ein Promille Alkohol im Blut. Schlafentzug erhöht Fehlerraten und die Risikobereitschaft. Zudem, und das hat mich am meisten überrascht, nimmt unethisches Verhalten bei Schlafmangel zu.

Die Auswirkungen von fehlendem Schlaf kennen wir gut. Wir brauchen Schlaf. Im Extremfall kann Schlafentzug bis zum Tod führen. Die 24-Stunden-Gesellschaft spielt uns vor, dass wir jederzeit produktiv sein können. Nachtarbeit hat aber zum Teil gravierende gesundheitliche Auswirkungen. Auch dass SchülerInnen früh in den Tag starten müssen, lässt sich durch die Schlafforschung nicht rechtfertigen. Jugendliche sind in der Pubertät eher Eulen, sprich Abendmenschen.

Wir optimieren nicht nur unseren Kalorienverbrauch und Schrittanzahl mit Gadgets, auch unser Schlafverhalten wird mit Apps analysiert. Was ist eine sinnvolle Optimierung unseres Schlafs?

Wir sollten unsere biologischen Grundlagen kennen. Es gibt zwei Typen: Den Morgentyp (Lerche) und den Abendtyp (Eule). In der westlichen Welt ist eine starke Lerchen-Orientierung spürbar. Das sieht man schon an Sprichwörtern wie «Morgenstund hat Gold im Mund». Letztlich geht es darum, dass man nach einem guten Schlaf leistungsfähig ist. Dies kann aber sowohl im Morgengrauen als auch nach 10.00 Uhr sein. Es hilft, den eigenen Typus zu kennen und zu wissen, ob man eine Eule oder Lerche ist. Heutzutage gibt es gute Tests, die einem dazu Aufschluss geben können.

Schlafprotokolle zu führen kann uns helfen, uns selber besser zu verstehen: Wie wache ich auf? Wie schlafe ich ein? Meist beschäftigen wir uns nur damit, wie lange wir schlafen. Viel relevanter ist aber die Schlafqualität. Wie gut schlafe ich? Schlafprotokolle zeigen uns auch auf, wie lange wir im Bett liegen, bevor wir einschlafen. Dann spricht man auch von Schlafeffizienz. Grüble ich stundenlang nach, bevor ich einschlafe? Oder schlafe ich sehr rasch ein? Auch technische Hilfsmittel wie Schlafphasen-Wecker können zu einem erholsamen Schlaf beitragen.

Die meisten Personen wissen zu wenig über ihren eigenen Schlaf. Sich näher mit dem eigenen Typ, der Schlafqualität und der Schlafeffizienz zu befassen, erachte ich als sinnvoll. Das Schlafzimmer hingegen komplett mit Sensoren etc. auszustatten – das führt dann doch zu weit.

Was denken Sie zum Teufelskreis Stress am Arbeitsplatz und schlechtem Schlaf?

In der Arbeits- und Organisationspsychologie oder auch der Gesundheitspsychologie befasst man sich häufig mit Bewegung, Ernährung und Erholung. Schlaf kommt häufig nicht mal als Stichwort vor. Fragt man Nachwuchskräfte, so berichten sie häufig, dass sie sich regelmässig bewegen und gesund ernähren. Gesunder Schlaf wird aber tabuisiert und kaum priorisiert. Die Public Health-Forschung muss sich m. E. dreibeinig aufstellen: Bewegung, Ernährung und Schlaf.

Bei Krankschreibungen sehen wir Migräne, Magengeschwüre, Stimmungsschwankungen etc., aber ohne die Rückführung auf Schlafdefizite. Schlafmangel kann in hohem Masse zu Stimmungsschwankungen führen, er macht uns launischer und fehleranfälliger. Gestresste Menschen haben mehr Mühe, «abzuschalten». Ein herrlich falscher Begriff für psychisches Verhalten. Wir haben keinen Schalter, wir schalten weder ein, noch aus. Gerade unter Stress sind feste Schlafrituale wichtig. Bei Stress gelingt v. a. das Einschlafen häufig nicht gut. Aber auch das Durchschlafen kann problematisch werden. Man fällt erschöpft in den Schlaf, wacht aber nach einem Schlafzyklus wieder auf. Grübeln vor dem Einschlafen ist ebenfalls schädlich für guten Schlaf. Insgesamt sprechen über 60 Prozent aller Leute von Schlafproblemen.

Selbstbeobachtungen mit Schlafprotokollen sind hier ein guter erster Schritt. Reclaim your sleep ist daher mein Motto für unsere unausgeschlafene Gesellschaft.

Welche Auswirkungen hat guter Schlaf?

Personen mit gesundem Schlaf oder mit leicht problematischem Schlaf, der aber in seiner Qualität als positiv eingeschätzt wird, weisen höhere psychische Widerstandsfähigkeiten auf. Schlechte Schläfer attribuieren auf sich (ich habe schlecht geschlafen, ich habe keine Leistungsreserve) und sehen sich als Opfer ihres schlechten Schlafs. Gute Schläfer empfinden sich als fit und leistungsfähig. Sie suchen sich bei Stress eher andere Ressourcen (z. B. die Unterstützung durch Kollegen).

Während Schlaf heutzutage entweder tabuisiert wird oder negativ konnotiert ist, wird Schlaf vielleicht zum Luxusgut der Zukunft. Guter Schlaf hat viele positive Auswirkungen. Gelerntes wird besser erinnert, nachdem man darüber geschlafen hat. Sportler berichten, dass auch Bewegungsabläufe besser verinnerlicht werden nachdem sie geschlafen haben. Spitzensportler schlafen übrigens länger, als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Was sind Ihre drei Tipps für guten Schlaf?

  • Positive Haltung zum Schlaf: Grundsätzlich sollten wir anerkennen, dass Schlaf uns, in all seiner Rätselhaftigkeit, etwas Gutes tut. Schlafen ist ein Kontrollverlust, auf diesen muss man sich einlassen und den daraus resultierenden Kontrollgewinn wahrnehmen. 

  • Eine ausgewogene Ernährung, genügend Bewegung und eben auch guter Schlaf gehören zur Gesundheit. Hier ist ein Paradigmenwechsel in Betrieben und der Gesellschaft notwendig.

  • Austausch über Schlaf: Hat man schlecht geschlafen, kann man dies durchaus in einer Sitzung am Anfang erwähnen, damit Rücksicht genommen wird. Eine Öffnung des Dialogs über guten Schlaf wirkt einer Tabuisierung entgegen. 

 

 

Weiterführende Informationen und Quellen:

Ausstellung «Schlaf gut. Dem Schlaf auf der Spur», 18.11.2018 - 24.3.2019, Vögele Kultur Zentrum

Fragebogen Morgen- oder Abendmensch des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund

Fietze, I. (2018): Die übermüdete Gesellschaft: Wie Schlafmangel uns alle krank macht. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Schlaf gut. Ist die ausgeschlafene Gesellschaft ein Traum? (2018). Vögele Kultur Bulletin, 106.

Autor/in
Regula von Büren

Regula von Büren

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