Bild Selbstoptimierung ist gut nicht gut genug Bild Selbstoptimierung ist gut nicht gut genug
Ausstellungsansicht "Ist gut nicht gut genug? Warum fordern wir so viel von uns?" im Vögele Kultur Zentrum. (Foto: Manuela Matt)

Höher, schneller, weiter – der Ruf nach stetiger Selbstoptimierung ist nicht nur im Sport allgegenwärtig. Sowohl in der Freizeit als auch im Beruf sind Selbstoptimierung und die Suche nach mehr Glück nicht mehr wegzudenken. Macht uns Selbstoptimierung glücklich?
Willibald Ruch ist Professor für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich. Prof. Ruch hat seine Expertise in die Ausstellung «Ist gut nicht gut genug?» des Vögele Kulturzentrums eingebracht. Im Nachgang an die Ausstellung sprechen wir mit ihm über Selbstoptimierung und Glück. 

Herr Professor Ruch, wie sieht Ihr persönliches Verhältnis zu Selbstoptimierung aus?

Über die Jahre hinweg habe ich stets danach gestrebt, mich zu verbessern. Vom Musiker in der Freizeit ans Konservatorium, vom Bücher lesen zum Studium. Dem Streben nach mehr bin ich durchaus nachgegangen, allerdings weniger unter der Thematik der Selbstoptimierung. Mich steuert eine gewisse Gelassenheit und Gemütlichkeit durchs Leben. Selbstoptimierung als Versuch, das Beste aus sich herauszuholen mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln, Apps die meine Schrittzahl anzeigen und Analysen von Tabellen liegt mir weniger. Ich bin bestrebt, mein bestes Selbst zu erreichen – aber nicht verkrampft und mit Stress verbunden.

Warum steht Selbstoptimierung in der Kritik?

Selbstoptimierung empfinden wir solange als angenehm, wie wir uns mit einer gewissen Verspieltheit und Gelassenheit damit auseinandersetzen. Man freut sich über die Erfolge. Wird die Selbstoptimierung allerdings zum Druck, wenn wir uns mit anderen vergleichen, wenn negative Gefühle bei Zielverfehlungen auftreten – dann kann man sich mit der vermeintlichen Optimierung durchaus auch schaden. Das gesunde Ausmass ist dabei wichtig, Selbstoptimierung soll nicht ausufern. 

Wie schützt man sich vor diesem Ausufern, vor sozialen Vergleichen?

Wir vergleichen uns stetig mit anderen Menschen. Man schützt sich, indem man auf die innere Stimme hört. Meistens merken wir durchaus, wenn es zu viel wird. Wenn wir uns verbessern, ist dies mit Freude und Stolz verbunden. Wenn die Ziele aber nicht angemessen sind oder zu wenig Zeit zur Verbesserung eingeräumt wird, dann hält man es häufig nicht lange durch. Die Frage stellt sich ja auch, warum man sich überhaupt in einem spezifischen Aspekt optimieren will.

Glücklich sein wird fast professionell angestrebt. Was trägt psychologische Forschung hierzu bei?

Meine Forschung dazu befasst sich primär mit Charakterstärken und dem «guten Leben»: Wie finde ich mehr Erfüllung im Leben? Wie steigere ich das Wohlbefinden in Bereichen wie positive Emotionen, Flow-Erlebnisse, Sinn im Leben oder gute Beziehungen?
Positive Psychologie als die Lehre von Sachen, die das Leben lebenswert machen, leistet hier wichtige Beiträge zur Förderung von mehr Wohlbefinden und einem stärkeren Sinn im Leben. Das Wohlbefinden zu steigern ist lernbar, es gibt entsprechende Trainings. Ich rate aber davon ab, dies mit grossem Zwang und Erfolgsdruck zu machen. Nicht jeder Aspekt in unserem Leben kann, soll und muss verbessert werden. Eine spielerische Gelassenheit und Herangehensweise empfinde ich als den zielführenderen Weg.

Glück und Optimieren des Glücks sind in der Arbeitswelt und der Freizeit ein Thema. Was ist dazu ein Forschungsergebnis, das Sie überrascht hat?

Mich hat überrascht, dass die 24 Charakterstärken, die wir untersuchten, alle zu einem guten Leben beitragen. Charakterstärken wurden von Peterson und Seligman (2004) erstmals publiziert. Man erkannte rasch, dass gewisse Charakterstärken wie Bindungsfähigkeit, Neugier oder Tatendrang zur Lebenszufriedenheit beitragen. Bescheidenheit hingegeben korrelierte schwach mit Lebenszufriedenheit. Schaut man allerdings Wohlbefinden breiter an, weisen tatsächlich alle 24 Charakterstärken einen Bezug zum guten Leben auf. Das hat mich in dieser Breite überrascht. Bricht man es noch weiter herunter und fragt sich z. B., wann der Beruf als Berufung erlebt wird, trifft man auf spannende Forschungsergebnisse. Können wir mindestens vier Signaturstärken, also Stärken, die uns persönlich besonders ausmachen, im Beruf anwenden, dann sind wir glücklicher und der Beruf wird zur Berufung. Dieses Prinzip ist auch übertragbar auf die Schule oder auf Partnerschaften. Je besser wir unsere persönlichen Stärken auf verschiedene Lebensbereiche abstimmen, desto glücklicher sind wir.

Sind alle 24 Charakterstärken trainierbar und somit optimierbar? Welche besonders gut?

Dies ist eine spannende Frage, bei der die Forschung erst am Anfang steht. Bei einzelnen Charakterstärken ist die Forschung weiter vorgeschritten, z. B. bei Humor. Entgegen der weiterverbreiteten Ansicht «Humor hat man, oder eben nicht», ist Humor eine Eigenschaft, die trainierbar ist. Humor ist nicht nur für positive Emotionen wertvoll, man erspart sich auch negative Gefühle. Humor ist zudem für die Verbesserung von Beziehungen wertvoll, sei es in der Freizeit oder im Berufsleben. Wir führten weltweit die erste Studie zur Trainierbarkeit von Humor durch. Wir entwickelten ein achtwöchiges Training, bei dem auch in der Fremdwahrnehmung eine Veränderung des Humors nachgewiesen wurde. Durch das Training steigt nicht nur der Humor, sondern auch die Lebenszufriedenheit. Dies war überraschend.

Wir wissen, dass Spielen angeboren ist. Spielen hilft Mensch und Tier zu lernen, was später im Leben gebraucht wird. Humor ist eine spezielle Art von Spiel, ein Spiel mit Ideen. Der Berufseinstieg wird oft als Beginn des «Ernst des Lebens» wahrgenommen. Wir glauben, erwachsen werden zu müssen und Spiel und Humor am besten hinter uns zu lassen. Humor stärkt aber gerade im Berufsleben das Miteinander und steht mit Kreativität in Verbindung. Wir bieten nun entsprechend auch Humortrainings für den Arbeitsplatz an. Führungspersonen, Lehrpersonen, aber auch Mitarbeitende profitieren von einem (angemessenen) Einsatz von Humor zur Beziehungspflege und zur eigenen Lebenszufriedenheit.

Trainierbar ist letztendlich alles. Alleine das Training von Charakterstärken führt zu mehr Wohlbefinden. Ob die Charakterstärke dabei anwächst, ist eine andere Frage. Wendet man seine eigenen Signaturstärken häufiger an, steigt das Wohlbefinden ebenfalls. Es tut uns gut, das, was uns ausmacht, häufiger zur Geltung zu bringen. Habe ich eine Arbeitsstelle, bei der meine Signaturstärken nur gering gebraucht werden, macht eine Anpassung der Aufgaben oder im Extremfall sogar ein Jobwechsel Sinn.

Was sind Ihre Top 5 Tipps zu einer Selbstoptimierung, die glücklich macht?

  • Kenne deine eigenen Signaturstärken. Sich selber gut zu kennen und zu wissen, wie die eigenen Stärken aussehen, ist wichtig für die Ausgestaltung des eigenen Lebens
  • Setze deine grössten Stärken häufiger ein. Je öfter man seine Signaturstärken einsetzt und trainiert, desto zufriedener wird man und kommt z. B. in ein Flow-Erleben (angenehme Aktivierung bei einer angemessen schwierigen Aufgabe).
  • Analysiere, was dir wichtig ist im Leben. Möchte ich für die Umwelt, für andere, für höhere Ideen da sein? Verbinde dann deine Signaturstärken mit einem für dich relevanten Zweck.
  • Schaue nach einer guten Passung in Beruf/Partnerschaft/Freizeit. Inwiefern setze ich meine Signaturstärken in diesen Bereichen ein? Je stärker ich meine Signaturstärken zur Geltung bringe, desto besser.
  • Orientiere dich an PERMA (Positive Emotions, Engagement, Relationships, Meaning, Achievement). Welche Bereiche stehen auf grün, welche auf orange oder rot? Wie bringe ich meine Stärken optimal ein? Was muss ich noch verbessern und trainieren?

Am besten geht man Optimierungen gelassen und spielerisch an – sonst steht man gegebenenfalls seinem eigenen Glück im Wege.

 

Weiterführende Informationen und Quellen:
Peterson, C., & Seligman, M. E. (2004). Character strengths and virtues: A handbook and classification (Vol. 1). Oxford University Press.

https://charakterstaerken.org
https://www.staerkentraining.ch/
https://www.psychologie.uzh.ch/de/bereiche/sob/perspsy/trainings/humortraining.html
https://positivepsychologyprogram.com/perma-model/#seligman-perma-model


Autor/in
Regula von Büren

Regula von Büren

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