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Ist es möglich, mittels eines Code of Conduct Verhalten zu verändern? (Symbolbild)

«Compliance ist mehr als nur die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Die Ansicht, dass Compliance-Aktivitäten auch ethische und kulturelle Aspekte abdecken sollten, ist inzwischen anerkannt.»

Peter Kurer, Rechtsanwalt und Partner bei der Private-Equity-Firma BLR & Partners AG.

Moralisches Fehlverhalten und sogenannte «White-Collar-Crimes» können in Unternehmen viele Formen annehmen. Insider-Geschäfte, systematische Bestechung und persönliche Bereicherung von Kadermitgliedern sind nicht nur schlecht für das Image eines Unternehmens, sondern können betroffene Firmen auch finanziell teuer zu stehen kommen. Ex Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz könnte darüber sicher einen packenden Vortrag halten. 


Dabei muss erwähnt werden, dass die Herausforderungen für integre Geschäftspraktiken durchaus grösser geworden sind. Zentrale Gründe hierfür sind erhöhte regulatorische Auflagen, globale Betätigungsfelder mit heterogenen Anforderungen und nicht zuletzt eine wachsame Öffentlichkeit, welche schneller an entsprechende Informationen gelangen kann.

Unternehmen begegnen dieser zunehmenden Komplexität durch den Auf- und Ausbau spezieller Compliance-Abteilungen. Diese sollen im Idealfall die Einhaltung von rechtlichen und ethischen Standards sicherstellen. Welche Verhaltensweisen konkret gemeint sind und was die übergeordneten ethischen Richtlinien eines Unternehmens sind, wird oftmals in einem Verhaltenskodex – dem sogenannten Code of Conduct – des jeweiligen Unternehmens festgehalten.

In vielen Unternehmen ist der Code of Conduct allerdings lediglich ein formaljuristisches Dokument zur Absicherung oder dient primär als Marketinginstrument. Nach dem Motto: Schaut her, wir leben Fairness, Diversität und Kundenorientierung. Dies ist leider eine vertane Chance, denn es ist tatsächlich möglich, mittels eines Code of Conduct Verhalten zu verändern. Erkenntnisse aus Psychologie und Verhaltensökonomie helfen dabei, Compliance-Massnahmen von Unternehmen effektiver zu gestalten und Verhalten besser zu verstehen und vorherzusagen.

Die zentralen Fragestellungen, auf welche Psychologie und Verhaltensökonomie im Bereich Compliance Antworten liefern, können lauten:

  1. Wann und warum zeigen Menschen überhaupt Verhaltensweisen, welche nicht der Compliance entsprechen?
  2. In welcher Form kann dies bei Compliance-Instrumenten wie einem Code of Conduct berücksichtigt werden?

 

Diese verhaltenswissenschaftliche Perspektive kann unter dem Begriff Behavioral Compliance zusammengefasst werden (Basel et al, 2018). Spannend ist dieses junge Forschungsfeld insbesondere, wenn es um unseren Umgang mit Interessenskonflikten geht: Geschäftschancen und Umsatz auf der einen Seite, Rechtsrisiken und gesellschaftlich nicht akzeptierte Geschäftspraktiken auf der anderen Seite. Dieser Interessenskonflikt lässt sich gut erkennen, wenn auf den Vorwurf des unmoralischen Verhaltens reagiert wird. Bei überführten Managerinnen sieht und hört man selten echtes Unrechtsbewusstsein, sondern eher den Hinweis, dass man es für die Firma, die Gesellschaft oder auch sein Land gemacht hätte.

Dies ist psychologisch durchaus plausibel. So zeigen aktuelle Forschungsergebnisse (z. B. Mazar et al., 2008), dass wir ein grosses Interesse daran haben, unser Selbstkonzept in einem günstigen Licht dastehen zu lassen. Dies bedeutet, je leichter sich Gründe finden lassen, das eigene Verhalten zu rationalisieren, desto leichter weicht man auch von ethischen Standards ab.

Das akzeptierte Abweichen von den Spielregeln kann man gut mit einem Fussballspieler vergleichen, welcher ein sicheres Tor durch ein grobes Foul am Gegenspieler verhindert. Sicher nicht regelkonform und auch klar unsportlich – aber welcher Trainer würde den Spieler nach dem Match dafür zur Verantwortung ziehen? Der Fussballer tat dies ja für sein Team oder sogar ganz patriotisch für sein Land. Dieses Beispiel illustriert deutlich, dass soziale Normen («auf jeden Fall ein Tor verhindern»), die eigentlich bindenden Regularien («kein Foul am Gegenspieler») unterlaufen können.

Was bedeutet dies für die Compliance? Klar ist, dass die Handlungsempfehlungen, beispielsweise in einem Code of Conduct, so konkret als möglich artikuliert werden sollten. Wenn Interpretationsspielraum besteht, kann man davon ausgehen, dass dieser auch entsprechend genutzt wird. Schlecht wäre beispielsweise der allgemeine Hinweis, dass der Mitarbeitende einfach zum Wohle des Unternehmens handeln möge. Wie wir bereits gesehen haben, kann das Wohl des Unternehmens auch durchaus mit rechtsfernen Mitteln erreicht werden.

Bestimmte Unternehmen setzen auch darauf, dass bei bestimmten Verträgen und Auskünften der Mitarbeitende per Unterschrift die Kenntnis der geltenden regulatorischen/ethischen Standards bestätigen muss. Per se eine sinnvolle Idee, allerdings zeigen die Studien von Shu et al. (2012), dass man die Ehrlichkeit deutlich steigern kann, wenn man vor (und nicht nach) dem ausfüllen entsprechender Dokumente die Unterschriften der Personen einholt. Eine weitere Möglichkeit die Wirksamkeit des eigenen Code of Conduct zu prüfen, stammt von Basel et al. (2018). In diesem Aufsatz wird eine kompakte Checklist vorgestellt, welche Unternehmen dazu nutzen können um psychologische Einflussfaktoren adäquat zu berücksichtigen.

Fazit: Für ein effektives Compliance Management ist es unabdingbar zu berücksichtigen, unter welchen Bedingungen Mitarbeitende von den Vorgaben abweichen. Behavioral Compliance ist neben technischen, juristischen und betriebswirtschaftlichen Überlegungen ein wesentliches Element, um die Wirksamkeit von Compliance-Instrumenten wie einem Code of Conduct sicherzustellen.


Weiterführende Informationen und Quellen:

Basel, J., Krasniqi, B. & Sohn, M. (2018). Behavioral Compliance – psychologische Gestaltungspotenziale für den Code of Conduct. Wirtschaftspsychologie aktuell (02/2018). S.17-20.

Mazar, N., Amir, O., & Ariely, D. (2008). The dishonesty of honest people: A theory of self-concept maintenance. Journal of marketing research, 45(6), 633-644.

Shu, L. L., Mazar, N., Gino, F., Ariely, D., & Bazerman, M. H. (2012). Signing at the beginning makes ethics salient and decreases dishonest self-reports in comparison to signing at the end. Proceedings of the National Academy of Sciences, 109(38), 15197-15200.

Autor/in
Dr. Jörn-Basel

Prof. Dr. Jörn Basel

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