Bargeld verschwindet Bargeld verschwindet
Auch in der Schweiz wird über Einschränkungen im Gebrauch bis hin zur Abschaffung von Bargeld diskutiert. (Symbolbild)

Bar oder mit Karte? Die altbekannte Frage nach dem Zahlungsmittel dürfte uns zunehmend seltener bzw. anders zu Ohren kommen. In den Kreis der Bezahloptionen hat sich längst das Zahlen per Smartphone über eine Bezahl-App gesellt, während Barzahlungen zurückgehen. Auf eine dieser Apps, nämlich auf TWINT, haben sich nun die fünf grössten Schweizer Banken zusammen mit dem Finanzinfrastrukturdienstleister SIX, der Swisscom und den beiden grössten Detailhändlern des Landes als gemeinsamen Bezahlstandard geeinigt. Der Weg zum flächendeckenden mobilen Bezahlen wird damit weiter geebnet. Aber ist das auch aus psychologischer Sicht zu empfehlen, was spricht sonst noch für bzw. gegen Cash und wie sieht es ausserhalb der Schweiz aus? 

Psychologie der Zahlungsmethode

Mit Kreditkarte ist die Zahlungsbereitschaft höher, die Karte ist schneller gezückt als Bargeld, das man erst vorgängig besorgen muss. Gerade bei Luxuskonsum fällt die Hemmschwelle, da die Abbuchung dem Konsum nachgelagert ist. Zahlungen mit Bargeld erfolgen bewusster und werden als schmerzlicher empfunden. Man spricht hier von «Pain of Paying». Der Zahlungsakt, also Geldscheine und Münzen auf die Verkaufstheke «hinzublättern», ist transparenter als eben schnell auf «Bezahlen» oder «OK» zu klicken. Diese Empfindung ist durchaus sinnvoll, man überlegt sich so seine Ausgaben sorgfältiger, läuft weniger Gefahr zur Verschuldung.

Gemäss der Theorie der Mentalen Buchführung (engl. Mental Accounting) teilen Menschen finanzielle Transaktionen in mentale Konten («Geschenk», «Ausgabe im Zusammenhang mit Jahresurlaub») ein und behandeln sie je nach Konto unterschiedlich, woraus sich Fehlentscheidungen ergeben. Chips im Spielkasino verleiten zu risikoreicheren Einsätzen, Prepaidkarten zu leichtfertigeren Ausgaben, da Beträge mental als «eh schon ausgegeben» verbucht werden.

Bares ist unpraktisch, teuer und kriminell

Abgesehen davon wie praktisch es ist, im Laden oder am Fahrkartenautomat mit Karte, Smartphone oder voll automatisch mit seiner Identität zu zahlen, hat Bargeld tatsächlich einige Nachteile. Banknoten müssen aufwändig gedruckt und permanent erneuert werden und sie bergen das Risiko gefälscht oder gestohlen zu werden. Für kleinere Unternehmen sind die anfallenden Kosten für Infrastruktur, Versicherung, Transport und Lagerung von Bargeld relativ hoch. Als Träger von Bazillen und Viren ist Bargeld ausserdem im wahrsten Sinne des Wortes dreckig und unhygienisch. Auch wenn Bargeld natürlich nicht per se kriminell ist (im Darknet wird mit Bitcoin gezahlt), sind weitere schlagende Argumente Noten und Münzen abzuschaffen: Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Drogenhandel und die Beihilfe zu Terrorismus würden erschwert und Kriminellen so das Leben (zumindest erstmal) schwer gemacht.

Wo bargeldloses Zahlen auf dem Vormarsch ist

Vorreiter beim bargeldlosen Zahlen ist Schweden, das bis 2030 bargeldlos sein will. Auch im übrigen Skandinavien ist Cash auf dem Rückzug, gut die Hälfte des Zahlungsverkehrs wird bereits auf elektronischem Weg abgewickelt. Da in Afrika nur wenige Menschen ein Bankkonto besitzen, wird dort die Technologie Mobile Payment gern genutzt und so via Smartphone Geld bis in entlegene Dörfer transferiert. In China ist es verbreitet per Messenger wie Wechat zu zahlen und zu überweisen. Aus Gründen der Einfachheit ist die Verbreitung der neuen Zahlungsmethoden in Schwellen- und Entwicklungsländern generell schon weiter fortgeschritten als in Europa.

Auch in der Schweiz wird über Einschränkungen im Gebrauch bis hin zur Abschaffung von Bargeld diskutiert, was aber auf vehementen Widerstand trifft. Wie die Deutschen sind Herr und Frau Schweizer Bargeld-affin. Mit dem Unterschied, dass sich deutsche Konsumenten im Zuge der Einführung des Euro bereits von bekannten (und identitätsstiftenden) Münzen und Scheinen verabschieden mussten und mit einer neuen Preisskala zu arrangieren hatten. Das bedeutete immerhin, dass Urteile darüber, was teuer und was billig ist, nicht mehr spontan zu bilden waren - ein kleiner Vorgeschmack auf in der Entwicklung befindliche virtuelle Währungen.

Bares gibt Sicherheit, Kontrolle und Trinkgeld

Bargeld gewinnt besonders in wirtschaftlich unsicheren Phasen an Bedeutung, wie gerade wieder am Beispiel Griechenland ersichtlich war. Verschwindet Bargeld, können Sparer bei der Festsetzung von Negativzinsen nicht ausweichen, indem sie Bares im Tresor oder unter der Matratze horten. Um nicht Geld zu verlieren, wären sie gezwungen, zu konsumieren. Ähnlich wie beim Aufkommen von Kreditkarten bestehen grosse Sicherheitsbedenken und Angst vor Missbrauch und Kontrollverlust. Elektronisches Bezahlen hinterlässt Spuren, die im Zeitalter von Big Data skrupellos gesammelt werden und das Vertrauen in Datensicherheit dämpfen. Der Konsument könnte völlig überwacht werden, würde «gläsern». Produktanbieter zielen genau hierauf ab. Wenn sie das Einkaufsverhalten des Kunden kennen, können sie ihm weitere angepasste Angebote machen.

Fazit

Da hinter der Abschaffung von Bargeld starke wirtschaftliche Interessen stecken und alternative Zahlungsmethoden elektronischer Art gepusht werden, wird künftig immer weniger Bargeld im Umlauf sein und es wird weiter an Bedeutung verlieren. Es ist aber sehr fraglich, ob Bargeld dabei ganz verschwinden wird. Mit Bargeld zu zahlen ist auch ein haptisches Erlebnis und besitzt gewissen Stil. Ein Verschwinden gedruckter Bücher ist nach einem anfänglichen Hype um e-Books bisher auch ausgeblieben.

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