YouTube-Kanal mit Wirtschaftspsychologie
Annette Rath
Für seinen äusserst unterhaltsamen, lehrreichen und erfolgreichen YouTube-Kanal Veritasium erhielt Derek Muller an der Universität Zürich den cogito-Preis 2016. Die cogito foundation verlieh dem promovierten Physiker den mit Fr. 50‘000 dotierten Preis für seine jahrelange Auseinandersetzung mit der Frage wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Publikum vermittelt werden können, sowie für die konsequente Umsetzung der dabei gewonnen Erkenntnisse auf YouTube. In seinen Filmsequenzen geht es Muller nicht nur darum physikalische Phänomene zu erklären, sondern gleichzeitig auch aufzuzeigen wie naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinn funktioniert. Dabei hat er es geschafft ein Millionenpublikum für die naturwissenschaftliche Sicht auf die Welt zu begeistern.
Die cogito foundation möchte mit dem gleichnamigen Preis den Dialog zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften auf der einen und Naturwissenschaften und Technik auf der anderen Seite unterstützen. Gleichzeitig ist es ihr ein Anliegen das Verständnis der breiten Öffentlichkeit für die naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise zu fördern. Der verbindende, interdisziplinäre Stiftungsgedanke kommt der Psychologie, die als Wissenschaft bereichsübergreifend ist, stark entgegen. So arbeiten etwa in der Ergonomie Arbeitspsychologen häufig eng mit Medizinern, Informatikern oder auch Ingenieuren zusammen. In der Hirnforschung wird biologisches Wissen mit Erkenntnissen der kognitiven Psychologie, angewandten Mathematik und Informatik verknüpft.
Umso erfreulicher, geht es bei den auf der Plattform Veritasium dargestellten Phänomenen neben Magnetismus etc. auch um Psychologie. Im Folgenden wird ein Beitrag über einen typischen Denkfehler vorgestellt, der Implikationen für die wirtschaftspsychologischen Themenfelder Führung, Ausbildung und Feedback hat. Ein Buch des Psychologen und Nobelpreisträgers Daniel Kahnemann hatte Derek Muller dazu inspiriert. Das Video beschäftigt sich damit, welche Art von Feedback wirksamer ist, um Menschen beim Lernen von Fähigkeiten zu unterstützen: bestrafen oder belohnen?
Eine grosse Anzahl sorgfältig aufgesetzter Studien können gut belegen, dass Belohnung die Lernleistung besser fördert als Bestrafung. Dennoch scheinen die Ausbilder israelischer Kampfpiloten genau gegenteilige Erfahrungen zu machen. Kadetten werden nach dem Lob für eine Glanzleistung plötzlich schlechter. Solche mit einer sehr schlechten Leistung werden nach einer Massregelung beständig besser. Die Ausbilder sehen hier einen klaren Zusammenhang zwischen ihrem Feedback und den nachfolgenden Leistungen, übersehen dabei aber, dass Leistungen wie übrigens auch das Wetter oder die körperliche Befindlichkeit natürlicherweise um einen Mittelwert schwanken.
Der Effekt der Regression zur Mitte ist laut Kahnemann intuitiv nicht zu verstehen und führt zu Denkfehlern. Es kann fatal sein, die Regression zur Mitte zu ignorieren: Dann kommen Ausbilder oder Manager zu dem Schluss, Strafen seien wirkungsvoller als Lob. Derjenige mit dem besten Ergebnis wird gelobt. Derjenige mit dem schlechtesten wird getadelt. In der nächsten Prüfungssituation werden wahrscheinlich andere Schüler bzw. Mitarbeitende die oberen und unteren Ränge belegen. Der hieraus abgeleitete Schluss «Tadel hilft und Lob schadet»„ ist aber ein Trugschluss.
Auch Phänomene wie der „Fluch des Sports Illustrated Covers“ (sog. Sports Illustrated Jinx) lassen sich so erklären. Dieser Effekt besagt, dass die Leistungen der meisten Sportler, die auf dem Titel des Blatts erscheinen, schlechter werden. Das liegt aber nicht an Magie, sondern daran, dass nur Sportler mit ausgezeichneten Leistungen also Extremwerten auf dem Titel landen. Dass sich ihre Leistungen wieder mehr dem Durchschnitt annähern, ist ein statistisches Gesetz. Auch seine Leistung wird wahrscheinlich in der nächsten Zeit wieder nachlassen.
Wenn Ihnen also Aussagen zu Ohren kommen wie „Mitarbeitende X ruht sich nach ihrer Glanzleistung jetzt wohl auf ihren Lorbeeren aus.“ oder „Bei Mitarbeiter Y, Schlusslicht im letzten Ranking, hat die Nachschulung toll gewirkt, jetzt läuft’s wieder.“, denken Sie daran, dass hier die Regression zur Mitte die eigentliche Ursache sein könnte.
Oder mit den Schlussworten von Derek Muller: „So think about that, next time you tell someone off. If you stay positiv, it may just work out for the best - in the long run.“
Weiterführende Informationen und Quellen:
Kahnemann, D. (2011). Thinking, fast and slow. New York, NY: Farrar, Strauss and Giroux.