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Im Zusammenhang mit Art. 23 VStG gibt es noch einige offene Fragen. (Symbolbild)

Im dritten und letzten Teil unserer Serie zu Art. 23 VStG behandeln unsere Autoren offene Fragen, welche sich im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung ergeben.

Offene Fragen im Zusammenhang mit Art. 23 VStG

Eine Anwendung von Art. 23 VStG setzt voraus, dass keine versuchte Steuerhinterziehung in Bezug auf die nicht deklarierten Einkünfte vorliegt. Ein Steuerstrafverfahren wegen versuchter Steuerhinterziehung ist dann zu eröffnen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass ein Steuerpflichtiger zum Zwecke der Steuerkürzung bewusst zur fehlerhaften oder unterbliebenen Selbstdeklaration beigetragen hat und dieses Verhalten tatsächlich auch geeignet war, dass eine Veranlagung unvollständig erfolgt oder gänzlich unterblieben wäre (wäre die Unregelmässigkeit nicht entdeckt worden). Der Versuch ist nur vorsätzlich begehbar.

Es ist unser Verständnis, dass eine Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs aufgrund von Art. 23 Abs. 2 VStG wegen des Vorliegens einer vorsätzlichen oder einer versuchten Hinterziehung die Durchführung eines Strafverfahrens und eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt. Entscheidend für die Motivation, welche für die Anwendung von Art. 23 Abs. 2 VStG ausschlaggebend ist, ist, dass eine vollendete oder versuchte Steuerhinterziehung vorliegt.

Es handelt sich hierbei um einen strafrechtlich relevanten Vorwurf, welcher nicht angenommen oder vermutet werden darf, sondern im hierfür vorgesehenen Rechtsverfahren, mithin einem Steuerstrafverfahren gemäss den hierfür anwendbaren Bestimmungen des DBG und insbesondere unter Einhaltung der strafrechtlichen Verfahrensgarantien, rechtskräftig festgestellt werden muss. Eine andere Auffassung würde bedeuten, dass ein strafrechtlich relevantes Verfahren vorgeworfen würde und erhebliche Rechtsfolgen hätte (nämlich den Verlust der Rückerstattungsberechtigung aufgrund von Verwirkung), ohne dass dieses strafrechtlich relevante Verhalten im hierfür vorgesehenen Verfahren festgestellt wurde. Wie dies von der ESTV gehandhabt werden wird, ist im Zeitpunkt dieses Beitrags noch offen.

Straflose Selbstanzeige

Das DBG und sämtliche kantonalen Steuergesetze erlauben es einem Steuerpflichtigen einmalig Vermögenswerte und Einkommen, welche bis anhin steuerlich nicht erfasst wurden, im Rahmen einer straflosen Selbstanzeige nach zu deklarieren. Mit einer solchen straflosen Selbstanzeige können Faktoren nachdeklariert werden, selbst wenn bereits eine definitive Veranlagung durch die Steuerbehörde erfolgte. Für die Straffreiheit ist es dabei unerheblich, ob der Steuerpflichtige die Faktoren absichtlich oder fahrlässig nicht deklariert hatte.

Bis zur Revision von Art. 23 VStG war es Praxis, dass im Rahmen einer Selbstanzeige allfällige Verrechnungssteuern mangels ordnungsgemässer Deklaration nicht zurückgefordert werden konnten.

Im Rahmen einer Selbstanzeige können Veranlagungen bis zu zehn Jahre zurück neu geöffnet werden um den Steuerpflichtigen mit den korrekten Faktoren zu veranlagen. Die Eröffnung des Nachsteuerverfahren erlaubt gemäss dem neuen Art. 23 Abs. 2 VStG, dass die ordnungsgemässe Deklaration, welche zur Rückerstattung der Verrechnungssteuer berechtigt, wieder möglich ist.

Da aufgrund der Selbstanzeige sämtliche Delikte im Zusammenhang mit der einmal erfolgreichen Steuerhinterziehung strafrechtlich nicht verfolgt werden, erfolgt auch keine strafrechtliche Verurteilung: die Steuerhinterziehung wurde zwar vollzogen, dank der Selbstanzeige verliert diese jedoch ihre strafrechtliche Relevanz. Sofern die Nicht-Fahrlässigkeit von Art. 23 VStG von den Behörden im Rahmen eines Strafverfahrens nachgewiesen werden muss, folgt daraus, dass bei einer straflosen Selbstanzeige, aufgrund des Verzichts auf ein Strafverfahren, zukünftig die Rückerstattung der Verrechnungssteuer gewährt werden muss. Selbstverständlich gilt hierbei die dreijährige Antragsfrist von Art. 32 Abs. 1 VStG.

Vereinfachtes Nachbesteuerung im Erbfall

Entdecken Erben, dass der Erblasser nicht versteuerte Vermögenswerte und oder Einkünfte besass, können sie diese in einem privilegierten Verfahren den Steuerbehörden nachmelden. Dabei werden statt der zehn Jahre lediglich drei Jahre nachbesteuert.

Sobald das Verfahren eröffnet wird, ist in Bezug auf die entsprechenden Jahre die korrekte Deklaration gemäss Art. 23 Abs. 2 VStG wieder möglich: wir befinden uns in einem offenen Nachsteuerverfahren.

Erfolgt die Deklaration nachträglich korrekt, so ist die Rückerstattung der Verrech-nungssteuer möglich, sofern die ursprüngliche Nicht-Deklaration fahrlässig erfolgte. Zwar gehen im Erbfall sämtliche Rechte und Pflichten per Universalsukzession auf die Erben über. Nicht übertragen werden kann jedoch die damalige Motivation des Erblassers in Bezug auf die erfolgte Nichtdeklaration: ein allfälliger Vorsatz kann ihnen nicht angerechnet werden. Für die Erben sind die hinterzogenen Steuern lediglich eine Tatsache. Warum der Erblasser eine Deklaration absichtlich oder fahrlässig unterliess, kann für sie keine Rolle spielen. Aus diesem Grund muss den Erben eine Rückerstattung der Verrechnungssteuer grundsätzlich immer gewährt werden.

Fazit

Die neue Regelung von Art. 23 VStG ist sachgerecht und entspricht dem Hauptzweck der Verrechnungssteuer als Sicherungssteuer. Dadurch werden der Verrechnungssteuer ihre bisherigen pönal-fiskalischen Reisszähne zu einem wesentlichen Teil gezogen. Die unerträgliche Praxis zu Art. 23 VStG, welche vom Bundesgericht im Jahr 2011 eingeleitet und fortentwickelt worden ist und im KS Nr. 40 gipfelte, wird dadurch sachgerecht korrigiert.

Dem Gesetzgeber kann ein positives Resultat attestiert werden. Die Ausdehnung der möglichen Nachdeklaration bis zum Eintritt der Rechtskraft unter Einschluss von Nachsteuerverfahren, jedoch unter Vorbehalt des Vorliegens einer vorsätzlich versuchten Steuerhinterziehung, ist richtig und macht den Abschied vom geltenden KS Nr. 40 leicht. Für fahrlässig nicht deklarierte Dividenden kann von einer sachgerechten Lösung ausgegangen werden. Im Bereich von geldwerten Leistungen in der Vergangenheit bleibt abzuwarten, wie die Praxis der ESTV gestaltet werden wird. Es bleibt zu hoffen, dass dem Anliegen, dass die Motivation ein strafrechtlicher Begriff ist und deshalb in einem Steuerstrafverfahren festgelegt werden muss, Rechnung getragen wird.

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