Interview: Petra Gössi zur AHV-Steuervorlage
Annika Fünfschilling
Am 19. Mai 2019 hat das Schweizer Stimmvolk die Steuervorlage STAF mit einem deutlichen Mehr von 65.6 Prozent angenommen. In diesem Interview spricht Nationalrätin und Parteipräsidentin der FDP über den Ausgang der Abstimmung und über die Zukunft des Steuerstandorts Schweiz.
Das Schweizer Stimmvolk hat die Steuervorlage STAF mit 65.6 Prozent angenommen, in keinem einzigen Kanton wurde sie abgelehnt. Überrascht Sie diese deutliche Zustimmung?
Die AHV-Steuervorlage hatte zwar schon in den Umfragen gute Werte. Wir haben die Umfrageergebnisse aber immer mit Zurückhaltung beobachtet, weil erst der Abstimmungssonntag entscheidend ist. Das deutliche Zeichen für einen starken Standort Schweiz freut mich und ich bin entsprechend erleichtert.
Die kantonalen Steuerprivilegien für überwiegend im Ausland tätige Unternehmen werden abgeschafft. Um zu verhindern, dass diese Unternehmen ihren Sitz ins Ausland verlegen, planen viele Kantone Steuersenkungen und weitere Massnahmen. Diese Massnahmen unterliegen je nach Kanton dem obligatorischen oder fakultativen Referendum. Können Sie hier generell etwas dazu sagen?
Die Kantone sind gefordert, die richtigen Werkzeuge einzusetzen, damit sie zukunftsfähig und attraktiv bleiben. Es ist aber auch wichtig, dass die Kantone mehrheitsfähige Reformen schaffen, mit einem ausgewogenen Niveau der Steuersätze und passenden Zusatzinstrumenten.
In der Onlineausgabe der NZZ vom Sonntag, 19. Mai 2019 war zu lesen, dass die SP in gewissen Kantonen offenbar die geplanten Massnahmen zu bekämpfen versucht. Was ist Ihre Ansicht hierzu und gehen Sie davon aus, dass die Kantone ihre Umsetzungsvorlagen werden einführen können?
Dass die SP die Reformen in den Kantonen bekämpfen will, ist bedauerlich. Es braucht diese Reformen in den Kantonen, damit sie weiterhin weltweit führende Forschungs-, Steuer- und Unternehmensstandorte bleiben und die Arbeitsplätze gesichert werden können. Weiter werden wir natürlich auch die von der SP geforderten Mindeststeuersätze für Unternehmen bekämpfen, da diese unser gut funktionierendes föderalistisches System angreifen. Der Föderalismus macht die Schweiz stark und so wird jeder Kanton für sich die richtigen Massnahmen treffen.
Wie wirkt sich die Umsetzung der STAF Ihrer Ansicht nach auf die Standortattraktivität der Schweiz aus?
Die Schweiz bleibt dank der AHV-Steuervorlage auch in Zukunft ein weltweit führender Forschungs-, Steuer und Unternehmensstandort. Wir dürfen uns aber nicht zurücklehnen, wenn wir innovativ und attraktiv bleiben wollen. Insbesondere ist nun die Verrechnungssteuerreform anzupacken.
Besonders umstritten war die Verknüpfung der Steuervorlage mit der Zusatzfinanzierung der AHV. Können Sie Ihre Meinung dazu geben?
(Anmerkung der Redaktion: Viele haben in der Verknüpfung zweier sachfremder Themen in einer Abstimmung eine klare Verletzung ihrer demokratischer Rechte erblickt, während andere der Ansicht waren, dass die Schweizer Politik auf Kompromissen basiert, weshalb eine solche Verknüpfung zulässig ist. Zudem sei die AHV schon immer über Steuergelder finanziert worden und somit sei ein Zusammenhang gegeben).
Die FDP hat die AHV-Finanzierung stets als soziale Abfederung zur Steuervorlage gesehen, dabei aber auch betont, dass eine echte Reform der Altersvorsorge weiterhin notwendig ist. Ich kann verstehen, dass diese Abfederung umstritten war. Die Einheit der Materie wurde jedoch nicht verletzt, wie auch ein Gutachten des Bundesamts für Justiz gezeigt hat. Es gilt aber die Nein-Stimmen ernst zu nehmen und keine sachfremden Themen miteinander zu verknüpfen.
Das erst seit dem 1. Januar 2011 geltende Kapitaleinlageprinzip, wonach Reserven aus Kapitaleinlagen steuerfrei zurückbezahlt werden können, wurde für börsenkotierte Gesellschaften bereits wieder eingeschränkt. Wie sehen Sie dies als Beraterin von betroffenen Unternehmen und Privatpersonen?
(Anmerkung der Redaktion: Nebst der Einschränkungen bei der Auszahlung von Kapitaleinlagereserven wurde die Dividendenteilbesteuerung stark erhöht, insbesondere auch beim Bund, wo die Unternehmenssteuersätze im Gegensatz zu den kantonalen Steuersätzen nicht gesenkt wurde).
Ich kann Ihnen gerne die Sicht der FDP zu diesem Thema darlegen. Wir haben mit viel Herzblut für die Unternehmenssteuerreform III gekämpft, sind jedoch nicht als Sieger vom Platz gegangen. In der Folge musste eine neue Vorlage erarbeitet werden, die eine Mehrheit finden kann.
Die Linke hat sich immer gegen das Kapitaleinlageprinzip gewehrt. In diesem Punkt sind wir ihnen teilweise entgegengekommen. Zudem wurde die Mindestbesteuerung auf Dividenden erhöht und eine Berücksichtigung von Städten und Gemeinden explizit festgehalten. Dies alles ermöglichte eine ausgewogene und mehrheitsfähige Vorlage.
Frau Gössi, ganz herzlichen Dank für dieses spannende Interview.