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Bild: Kalaidos FH

Das Finanzgericht Baden-Württemberg (im Folgenden FG BW) hat bereits mit Beschluss vom 12.08.2015 ernstliche Zweifel angemeldet, ob die sog. Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz europarechtskonform ist (Az. 3 V 4193/13 vom 12.08.2015). 

Um was geht es?

Auch ohne Dividendenausschüttung können Einkünfte ausländischer Gesellschaften fiktiv der deutschen Besteuerung hinzugerechnet werden (sog. Hinzurechnungsbesteuerung). Zu einer Hinzurechnung von Einkünften in Deutschland kommt es unter anderem dann, wenn:

  • in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige an einer ausländischen Gesellschaft mehrheitsbeteiligt sind und
  • diese ausländische Gesellschaft im Sinne des Aussensteuergesetzes sogenannte „passive“ Einkünfte erzielt und
  • zudem „niedrig“ besteuert wird.

Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Zu entscheidender Sachverhalt

Im Streitfall hielt der in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige (natürliche Person) Anteile an einer schweizerischen AG. Darüber hinaus war er auch der Geschäftsführer dieser AG. Die AG betrieb in der Schweiz ein Maklerbüro, das sich mit dem An- und Verkauf, der Vermittlung und der Vermietung von Geschäftsimmobilien in Fussgängerzonen befasste. Das Finanzamt wendete die Hinzurechnungsbesteuerung an und rechnete die Einkünfte der AG dem Steuerpflichtigen in Deutschland zu. Den sogenannten „Motivtest“ (Gegenbeweis), wonach die AG in der Schweiz einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, liess das Finanzamt nicht zu. Auch den durch den Steuerpflichtigen beantragten einstweiligen Rechtsschutz wollte das Finanzamt nicht gewähren, sodass die Steuerforderung umgehend fällig wurde.

Zitat Heiko Kubaile  

Diese Verfahrensweise hält das FG BW für problematisch. Die Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit den einschlägigen EU-Grundfreiheiten sei höchstrichterlich derzeit noch nicht geklärt. Soweit es um die Kapitalverkehrsfreiheit mit der Schweiz gehe, sei dazu vor dem BFH ein Revisionsverfahren anhängig (BFH, Az. I R 78/14, Vorinstanz FG Münster, Az. 2 K 618/11 F), bis zu dessen Abschluss das Einspruchsverfahren des Antragstellers ruhen könne. Darüber hinaus sei das Freizügigkeitsabkommen, welches mit der Schweiz und den EU-Ländern geschlossen wurde, zu beachten. Folglich entschied das FG BW die Rechtsfrage dem EuGH vorzulegen.

Hinzurechnungsbesteuerung zweifelhaft

Mit dieser Begründung hat das Finanzgericht die auf die Hinzurechnungsbesteuerung entfallende Einkommensteuer des Steuerpflichtigen von der Vollziehung ausgesetzt (einstweiliger Rechtsschutz). Auch wenn bis zur Entscheidung des EuGH noch einige Zeit vergehen wird, sollte diese Vorlage nicht aus dem Auge gelassen werden, da sie einen enormen Einfluss vor allem im Unternehmensbereich im Verhältnis Deutschland – Schweiz hätte. In Fällen der Hinzurechnung Schweizer Einkünfte sollte mit Verweis auf das anhängige EuGH Verfahren Rechtsmittel eingelegt werden.

BFH erweitert Umfang und ruft ebenfalls EuGH an

Nicht nur in den o.g. Fällen kann eine Hinzurechnungsbesteuerung greifen. Selbst bei einer Beteiligung von 1% – bzw. weniger – können sog. Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter („Erträge aus Kapitalanlagen und ähnlichem“) der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Hier sieht neu der BFH als ernstlich zweifelhaft an, ob dies in Fällen von Drittstaatensachverhalten (etwa Schweiz) vollständig mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Daher hat er in einem Verfahren zu einer Zwischengesellschaft mit Sitz in der Schweiz den EuGH angerufen (Az. I R 80/14 ).

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