Ein Milliardenprojekt. Kostenüberschreitung in Millionenhöhe, Zeitverzögerungen um Jahre. Der Kunde ruft mich in der Hoffnung, ich könnte einen radikalen Turnaround bewerkstelligen. Einige Stakeholder begrüssen dies, andere zeigen bereits von Anfang an grossen Widerstand. Mit Enthusiasmus und der nötigen Empathie nehme ich die Herkulesaufgabe in Angriff. Als Gesamtprojektleiter reorganisiere ich, führe neue Prozesse ein, wechsle wo notwendig Teammitglieder aus. Letzteres ist leider trotz aller Liebe nicht zu umgehen. Dank vereinten Anstrengungen nimmt das Projekt langsam eine Wende.

Wer Veränderungen erfolgreich gestalten oder sagen wir eher ertragen will, ist oft noch viel mehr der Kritik und Angriffen ausgesetzt. Dann müssen wir widerstandsfähig sein, ein dickes Fell haben oder ganz einfach wissen, wie man Schläge einstecken kann. Da gibt es die ständigen Kritiker, Nörgler oder auch die inneren Dämonen, die uns gewaltig zusetzen können. Das gilt übrigens nicht nur für sämtliche Veränderungsprozesse sondern für das ganze Leben, weil dieses ohnehin eine Abfolge von ständigen Veränderungen ist.

Wie gehen wir also mit Kritik oder verbalen Attacken um? Schlagen wir am besten zurück? Oder passen wir uns eher an, um dem Konflikt aus dem Weg zu gehen? Oder laufen wir davon? Ich weiss mittlerweile, dass keiner dieser Optionen zum gewünschten Erfolg führt, denn ich habe alle ausprobiert. So bin ich schon während Managementmeetings aufgestanden und habe stillschweigend meine Sachen zusammengepackt. Oder ich habe mir lautstark Gehör verschafft, indem ich mit der Faust auf den Tisch gehauen habe. In allen Fällen habe ich mir zwar für kurze Zeit Luft verschafft, doch der Schmerz kehrte oft schnell zurück und ich realisierte, was in den weisen Worten von Buddha lag: „Sich über jemand anderen zu ärgern ist so, als ob man selbst einen Becher mit Gift trinkt und dabei hofft, dass der andere tot umfällt.“ Das einzige, das wir verändern können, ist uns selbst. Über andere haben wir keine Macht. Ob Sie nun Veränderungen selbst aktiv mitgestalten, initialisieren oder den Kräften des Wandels ausgesetzt sind, es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als einige Grundsätze zu befolgen, welche Ihnen helfen, sich ein dickes Fell anzulegen.

Sich in die Schuhe des anderen zu versetzen. In Konfliktlösungsworkshops ist ressourcenorientiertes Denken - sich in die Schuhe des anderen versetzen - der entscheidende Faktor. Dabei erklären sich die verstrittenen Parteien bereit, ein Brainstorming über die möglichen Gründe für das "unerklärliche" Verhalten des Andern zu machen. Wichtig ist, dass diese Möglichkeiten, warum der Andere so reagiert, nicht gewertet werden. Der Prozess des Brainstormings allein genügt bereits, um Konflikte oder inneren Ärger auf die Sachebene zu verlagern und gleichzeitig Mitgefühl für den anderen zu entwickeln. Dabei entsteht sehr oft ein AHA-Effekt und Spannungen können schnell abgebaut werden. Zählen Sie also beim nächsten Angriff alle nur erdenklichen Gründe auf, warum der andere so reagiert haben könnte, ohne diese zu werten und sie werden feststellen, wie schnell sie den inneren Schmerz lindern können.

Sich entwaffnen. Statt in den Angriff überzugehen und mit "DU"-Parolen zu kontern, ist es ratsam, über sein eigenes Befinden zu sprechen. Ich fühle mich schlecht; es geht mir nicht gut. Es braucht Mut, sich mit solchen Worten verletzlich zu machen und noch mehr Angriffsfläche zu bieten, doch es ist echt und genau das bringt die grosse Wende. Am extremsten habe ich das während meiner Beratertätigkeit erlebt, als nach Monaten intensivsten Streits und Rollenspielen eine hochrangige Regierungsperson - zu alledem noch ein Mann - in Tränen ausbrach und offenbarte, dass er dem Druck ständig zu lügen und eine Rolle zu spielen, einfach nicht mehr Stand halten könne. Dieses Entblössen führte zu echtem Mitgefühl unter den Beteiligten und der Konflikt löste sich im Nu auf. Nachdem er es endlich gewagt hatte, über seine eigenen Gefühle zu sprechen, sich also buchstäblich zu entwaffnen, anstelle Kraft seiner Position als Chef künstlichen Druck auszuüben, kam die grosse Wende.

Liebvolle Selbstgespräche führen. "Den mache ich zur Schnecke!" "Ich bin immer an allem Schuld." "Hätte ich doch nur anders gehandelt.“ "Das schaffe ich eh nicht." Kennen Sie solche Selbstgespräche? Wenn wir mit uns selbst sprechen - insbesondere dann, wenn wir unter Kritik stehen - sprechen wir nicht gerade liebevoll mit uns. Das setzt einen zusätzlichen Schwall an negativer Energie frei. Können Selbstgespräche ein wirkungsvoller Weg sein, um positive Kräfte zu mobilisieren? Die klare Antwort ist: JA. Wenn wir uns in Selbstgesprächen mit dem DU oder dem Vornamen ansprechen, dann gewinnen wir Mehr Distanz zu uns selbst und werden wir gelassener. Wenn ich mich das nächste Mal nicht mit "ich bin doch ein Idiot," sondern mit "Andreas, Du bist ein Idiot," anspreche, dann klingt es tatsächlich schon etwas liebevoller. Besser natürlich, wenn ich das Wort „Idiot“ erst gar nicht mehr nutze!

Uns und anderen verzeihen. Verzeihen ist die wirkungsvollste aller Methoden. Das Entschuldigen beim Mitarbeiter und das liebevolle Selbstgespräch sind Schritte des Verzeihens und sehr befreiend. Es gibt immer noch Ureinwohner, welche die Kunst des Verzeihens beherrschen. Wenn jemand etwas falsch gemacht oder etwas gestohlen hat, wird ein Treffen einberufen. Die Einwohner bilden einen Kreis mit dem Bösewicht in der Mitte. Statt ihn dann zu steinigen oder zu beschimpfen, werden wundervolle Geschichten über ihn erzählt. Denn den Einwohnern ist klar, wenn er etwas Böses getan hat, muss er vergessen haben, welch wunderbarer Mensch er eigentlich ist.

Das nächste Mal, wenn Sie also ein böses Mail bekommen, sagen Sie ganz einfach: Es tut mir leid, ich verzeihe Dir und ich bringe Dir von ganzem Herzen meine Wertschätzung entgegen, denn auch Du bist einzigartig und kannst viel Gutes bewegen!"

Buchtipp

Mit den Grundsätzen im Umgang mit Kritik befasst sich Andreas Dudas auch in seinem Buch: Shiro - Das grosse Wagnis: Mit dickem Fell auf die Reise zu Authentizität und Selbstverwirklichung. Andreas Dudas. Books on Demand Verlag.

Buch - Das grosse Wagnis, Andreas Dudas


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