Für Frauen scheint sich eine Karriere in der Finanzindustrie häufig nicht zu lohnen. In Führungspositionen sind sie sehr selten. Von Positionen im unteren und mittleren Management aus verlassen sie ihre Arbeitgeber häufiger als männliche Kollegen und mit einer 20 bis 30 Prozent grösseren Wahrscheinlichkeit als Frauen, die in anderen Branchen arbeiten.

Das sind Ergebnisse aus der Studie „Women in Financial Services“ der Personalberatung Oliver Wyman. Sie umfasst Analysen zur Geschlechter-Diversität in 381 Banken, Versicherungen, Börsen und Aufsichtsbehörden weltweit. Insgesamt wurden 850 weibliche und männliche Mitarbeiter befragt, darunter rund 50 aus der Schweiz. Im Zentrum stand die Frage, welche Hindernisse die Karrieren von Frauen in der Finanzbranche bremsen.

Frauen verlassen Kaderjobs rascher als Männer und Frauen in anderen Branchen


„Während junge Frauen und Männer mit ähnlich stark ausgeprägten Karriereambitionen in die Unternehmen einsteigen, verlassen Frauen im unteren und mittleren Management ihre Arbeitgeber nicht nur deutlich öfter als ihre männlichen Kollegen, sondern auch mit einer 20 bis 30 Prozent grösseren Wahrscheinlichkeit als Frauen in anderen Branchen. Für Frauen in Finanzunternehmen gilt nach wie vor: Die Kosten einer Karriere überwiegen häufig den erwarteten Nutzen“, heisst es in der Studie.

Das spiegelt auch die Häufigkeit von Frauen an der Unternehmensspitze. In der Schweizer Finanzindustrie haben sie keine besonders guten Aussichten auf Topjobs. In den zehn grössten Schweizer Finanzorganisationen hat der Verwaltungsrat einen Frauenanteil von 22 Prozent. In den Geschäftsleitungen sind nur fünf Prozent Frauen. International findet sich die Schweiz bei Frauen im VR erst im Mittelfeld, bei Frauen in Geschäftsleitungen sogar auf dem drittletzten Platz. An der Spitze stehen Länder wie Norwegen, Schweden und Thailand mit über 30 Prozent Frauenanteil in den Geschäftsleitungen.

Traditionelle Rollenbilder und kein Umfeld für Familie und Karriere


Die Ursachen verorten die Personalberater in traditionellen geschlechterspezifischen Rollenbildern. Sie sehen für Frauen eher die Mutterrolle, gegebenenfalls kombiniert mit einer Teilzeittätigkeit vor und keine ambitionierte Karriere. Aus der Studie geht hervor, dass in der Schweiz weniger als die Hälfte der befragten Frauen in der Finanzbranche aktiv eine Führungsposition anstrebt, während es im internationalen Vergleich fast zwei Drittel sind.

Auch der kurze Mutterschaftsurlaub, fehlender Vaterschaftsurlaub, wenig steuerliche Unterstützung für Eltern und hohe Kosten der Kinderbetreuung machen es Frauen in der Schweiz schwer, Familie und Karriere zu vereinbaren. Und schliesslich trifft auch die Unternehmen ein Teil der Verantwortung: Laut der Studie begreifen sie Geschlechter-Diversität nur als Teil ihrer Corporate Social Responsibility-Strategie — nicht aber als betriebswirtschaftlichen Imperativ, um im Wettbewerb zu bestehen.

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