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Bei der Auswahl neuer VRs ist auf eine Machtbalance und gesunde Skepsis zu achten (Symbolbild)

Das vergangene Jahr hat anhand von zwei prominenten, öffentlich breit diskutierten Fällen einmal mehr aufgezeigt, welche zwei Aspekte einer guten Corporate Governance von immenser Bedeutung sind. 

Bei der Raiffeisen Bank stimmte die Machtbalance zwischen den Gremien nicht, bei der Post waren verschiedene Gremien bezüglich einer jahrelangen Praxis blind bzw. einfach zu wenig skeptisch. Es geht hiermit nicht darum, weiter auf die betroffenen Unternehmen einzudreschen, sondern Gremien im Allgemeinen zu sensibilisieren, damit sie nicht in dieselbe Falle tappen. Natürlich sind viele weitere Aspekte Voraussetzung einer guten Corporate Governance. Die folgenden zwei sind aber besonders hoch zu gewichten:

1. Machtbalance

Dem Verwaltungsrat obliegt die Geschäftsführung. Üblicherweise delegiert er diese Pflicht an eine Geschäftsleitung, bleibt aber verantwortlich. Daraus ergibt sich in der Praxis ein Verhältnis zwischen zwei wichtigen Gremien, welches nicht ganz unkritisch ist. Es entsteht ein gegenseitiges Abhängigkeits- und Machtverhältnis. Während der Verwaltungsrat die Geschäftsleitung ein-, aber auch wieder absetzen kann, ist die Geschäftsleitung dem Verwaltungsrat bezüglich wichtiger Informationen in der Regel einen Schritt voraus. Sie kann vielfach bestimmen, was dem Verwaltungsrat wann und in welcher Form vorgelegt wird. Um diese Abhängigkeit zu mildern, stehen einem Verwaltungsrat mit der externen und internen Revision, oder beispielsweise mit Whistle Blowing Kanälen, wichtige Instrument zur Verfügung. Dies sind aber nur unterstützende Instrumente. Am Ende geht es um Personen, welche zum Wohle der Unternehmung effizient und effektiv miteinander agieren müssen.

Führungspersonen in einer Geschäftsleitung zeichnen sich oft durch Charaktereigenschaften aus, in welchen Macht, Charisma oder Unfehlbarkeit dominant sind. In der Regel halfen diese, die Führungsposition zu erlangen. Damit müssen sich Verwaltungsräte auseinandersetzen können. Dafür benötigen sie aus untenstehendem allgemeinem Anforderungskatalog hauptsächlich ein gutes Selbstbewusstsein, Diskussionsfähigkeiten, eine gesunde Skepsis, Hartnäckigkeit und natürlich einen einwandfreien Leumund.

Anforderungen für VRs:

  • Strategische Weitsicht
  • Branchen- und Marktverständnis
  • rasche Auffassungsgabe
  • Abstraktionsfähigkeit
  • Diskussions- und Kommunikationsfähigkeit
  • finanzielles Verständnis
  • gutes Selbstbewusstsein
  • "out of the box" Denken
  • gesunde Skepsis
  • Hartnäckigkeit
  • einwandfreier Leumund

Diese Kriterien sind bei einer Auswahl von neuen Mitgliedern eines Verwaltungsrates nicht hoch genug zu gewichten. Ansonsten kann es passieren, dass sich, wie bei der Raiffeisen Bank, der Verwaltungsrat vom CEO kontrollieren und manipulieren lässt oder gar bewusst das Spiel mitspielt.

2. Gesunde Skepsis

Ein Verwaltungsrat hat viele Aufgaben und Pflichten. Einige davon sind nicht übertragbar, beispielsweise die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen. Keine einfache Aufgabe, insbesondere vor dem Hintergrund der oben beschriebenen schwierigen Balance von Macht zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. Dabei ist auch eine gute Balance von Vertrauen und Kontrolle wichtig. Hierbei hilft eine gesunde Skepsis. D.h. ein Verwaltungsrat schaut dort genauer hin und hält den Finger drauf, wo es eben notwendig ist. Diese Gabe ist erlernbar. Wirtschaftsprüfer beispielsweise trainieren sich diese in jahrelanger Arbeit an, insbesondere im Umgang mit einer Vielzahl unterschiedlicher Charakteren und Konstellationen in einer Unternehmung.

So gesehen ist es eigentlich unvorstellbar, dass bei der Post sogar die interne und externe Revision versagt haben. Der Grund war die jahrelange Praxis, die Macht der Gewohnheit. Hirnforscher gehen davon aus, dass Menschen täglich bis zu 20'000 Entscheidungen treffen, überwiegend unbewusst, aus Gewohnheit eben. Weil Gewohnheiten durch repetitives Handeln entstehen, tappen jene Menschen weniger in die Gewohnheitsfalle, welche über eine immense Breite an verschiedensten Erfahrungen verfügen. Bei der Auswahl eines neuen Verwaltungsratsmitgliedes ist also auch auf seinen Rucksack sowie Diversity im Allgemeinen zu achten. Deshalb sind nicht immer der Branchenprofi oder das Verkaufstalent zu bevorzugen.

Fazit

Bei der Zusammenstellung des Verwaltungsratsgremiums ist insbesondere darauf zu achten, dass dieses aufgrund der breiten Erfahrung seiner Mitglieder über eine gesunde Skepsis verfügt und aufgrund anderer wichtiger Eigenschaften in der Lage ist, der Geschäftsleitung Paroli zu bieten. Die Raiffeisen Bank und die Post haben dies letztes Jahr schmerzlich in Erfahrung gebracht. Doch auch viele andere Unternehmen haben diesbezüglich noch Handlungsbedarf.

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