Während in der Industrie in den vergangenen eineinhalb Jahren - nach Aufhebung des Euro-Mindestkurses - vermehrt Produktionsverlagerungen ins Ausland zu verzeichnen waren, gibt es einen vergleichbaren Trend im Dienstleistungssektor, insbesondere bei Grossunternehmen.
Welche Herausforderungen und Möglichkeiten bestehen für die Schweiz?

Bisherige Entwicklung

Roche begann mit den ersten Auslagerungen von Bürojobs im Jahr 2004, Credit Suisse 2006. Heute, 10 Jahre später, findet bei Grossunternehmen eine regelrechte Auslagerungswelle statt: Entlassungen sowie Frühpensionierungen ab dem 55. Lebensjahr, mit paralleler Rekrutierung von Hochschulabsolventen (für die gleichen Stellen) in Tieflohn-Ländern.

Eine Disclosure-Analyse der CS (einem der beiden Vorreiter) der Jahre 2011-2015 zeigt im genannten Zeitraum ca. 4‘300 von der Schweiz ausgelagerte Vollzeitstellen. Relativ gesehen (von der bisherigen CS-Belegschaft von 21‘700 Vollzeitstellen Ende 2010) entspricht dies der Auslagerung jeder 5. Stelle.

Herausforderungen

Es ist anzunehmen, dass sich der gegenwärtige Auslagerungstrend (Dienstleistungen & Industrie) künftig verstärkt fortsetzen, und arbeitsmarktseitig auch für die kommenden Generationen neue Herausforderungen mit sich bringen wird.
Die nachstehenden beiden Absätze sind entsprechend einem volkswirtschaftlichen Aspekt (I) und einem betriebswirtschaftlichen Lösungsansatz (II) gewidmet. 

I. Strategien (neue Geschäftsfelder / Stellen)

Als Hochpreisland und ohne Rohstoffvorkommen liegt die wirtschaftliche Zukunft der Schweiz weitgehend in der Angebots-Differenzierung von Produkten und Dienstleistungen, namentlich im Bereich der Innovationen - auf dem Gesamtmarkt und in einzelnen Marktsegmenten mittels Nischenstrategie.

II. Flexible Teilzeit-Modelle für alle Gesellschaftsgruppen (Umverteilung)

1. Frauen verfügen heutzutags vielfach über eine sehr gute Ausbildung. Aufgrund einer weiterhin noch sehr geringen Anzahl qualifizierter Teilzeitstellen (auch tiefe Pensen), arbeiten viele gut ausgebildete Frauen/Mütter auch während einer Zeit der Familienarbeit wesentlich mehr als gewünscht oder (nahezu) Vollzeit.

2. Männer, insbesondere Väter, äussern in der heutigen Zeit ebenfalls vermehrt den Wunsch nach einem reduzierten Arbeitspensum. Dabei ist es ab einer gewissen Qualifikations- oder Führungsstufe nach wie vor sehr schwierig, ein z.B. 70 %- oder 80 %-Pensum zu finden. Viele arbeiten daher 100 %.

3. Reifere Mitarbeiter/-innen wünschen sich in den Jahren vor dem gesetzlichen Ruhestand gleichermassen desöftern ein tieferes Arbeitspensum, was einen fliessenden Übergang in die Pensionierung ermöglicht (ohne abruptes Arbeitsende), aber auch Möglichkeiten einer weiteren Teilzeitarbeit mit tieferem Pensum über das offizielle Rentenalter hinaus schafft (basierend auf der heute höheren Lebenserwartung und aufgrund einer oftmals guten Gesundheit bis ins hohe Alter).

4. Arbeitnehmer/-innen: Lebenslanges Lernen und die Zusammenarbeit von verschiedenen Berufs- und Altersgruppen bilden ein wichtiges Fundament für neuartige Wissensverknüpfungen, die Innovationen hervorbringen lassen. Beruf, Privatleben und laufende Aus- und Weiterbildung können durch die Möglichkeit von Teilzeitarbeit (insbesondere auch qualifizierte Teilzeitarbeit) für alle Altersgruppen besser miteinander vereinbart werden.

5. Arbeitgeber/-innen: Erfahrungen und Studien zeigen, dass Teilzeitarbeitskräfte über einen besonders hohen Energie-Level verfügen (tiefere Wochenarbeitszeit, hohe Motivation durch gute Vereinbarkeit mit eigenen Interessen), und gleichzeitig meist bei Vollauslastung, d.h. ohne Leerzeiten und -kosten für das Unternehmen arbeiten.

6. Arbeitnehmer/-innen & Arbeitgeber/-innen: Mit der Bereitschaft zu einem neuen Denken, dass für die Vergütung vorwiegend das Qualifikationsprofil massgebende Grundlage bildet, entstehen gleiche Chancen für alle Altersgruppen und seitens der Arbeitgeber/-innen ein Ansporn zur altersunabhängigen Rekrutierung.

7. Staat: Eventuell ist mittelfristig ebenfalls ein regulatorisch geschaffener Ausgleich für Unternehmen (proportionale statt progressive Pensionskassenbeiträge nach Alter der Arbeitnehmer/-innen) anzudenken.

Fazit

Die Modellansätze stehen in der betrieblichen Praxis noch in den Kinderschuhen. Durch vereinte Kräfte aus Politik, Arbeitgebertum und Arbeitnehmerschaft können die Herausforderungen von heute und morgen jedoch gemeinsam und mit nachhaltiger Wirkung angegangen, und für alle Gesellschaftsgruppen gleichzeitig neue Chancen und Perspektiven geschaffen werden!

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Masterarbeit von Frau Sabine Künsch, Absolventin des Executive MBA FH mit Vertiefung in Strategischem Controlling.

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