Wie agil ist das magische Dreieck im Projektmanagement?
Heinz Scheuring
Im agilen Projektmanagement gilt: Stellt das Team bei der Arbeit fest, dass sich die angestrebten inhaltlichen Ziele nicht erreichen lassen, wird der Umfang des Liefergegenstandes angepasst, sprich: auf das Machbare reduziert. Am Einsatz der Mittel, der Teamgrösse also, wird nicht gerüttelt. Den Auftraggeber bzw. die Auftraggeberin (agile: Product Owner) bereitet man – sanft und einfühlsam – auf dieses «Weniger» vor. Agil impliziert ja auch flexibel. Ist doch ganz praktisch, oder?
Das Team und damit den Arbeitseinsatz als gegeben zu betrachten, mag in manchen Fällen gerechtfertigt sein. Dies als Dogma zu propagieren, ist indessen betriebswirtschaftlicher Unsinn. Doch der Reihe nach.
Das magische Dreieck
Kein Projekt, keine Aktivität, kann sich dem sogenannten «magischen Dreieck» entziehen. Geht es etwa um die Entwicklung eines neuen Software-Releases, werden zunächst inhaltliche Ziele gesetzt: Feature X soll in die nächste Version einfliessen. Die neue Funktion muss einwandfrei funktionieren, die Performance überzeugen. Wir sprechen hier vom Sachziel.
Die Erreichung dieses Ziels wird Zeit in Anspruch nehmen. In der Praxis nicht selten mehr, als uns lieb ist. Es handelt sich dabei um das Terminziel.
Und zu guter Letzt wird das angestrebte Resultat nicht umsonst zu haben sein. Entwicklung, Testing, Korrekturarbeit und Dokumentation erfordern Aufwand und führen damit zu Kosten. Auch diese gilt es zu planen und als Kostenziel zu deklarieren.
Dass die drei Ziele miteinander konkurrieren und damit einem Interessenkonflikt unterliegen, versteht sich von selbst. Zu ergänzen wäre an der Stelle noch die Dimension des Risikos bzw. der Risikominimierung, die sich indessen auf alle drei Grössen bezieht.
Wer das Dreieck ignoriert …
So weit, so gut. Im klassischen Projektmanagement gilt das Dreieck deshalb als magisch, weil das Schrauben an der einen Ecke unmittelbare Auswirkungen auf mindestens eine der anderen beiden Dimensionen zeitigt. Stellen Projektleitende etwa fest, dass es mit dem Termin eng wird, ist mit der auftraggebenden Person zu klären, ob der Lieferumfang zu reduzieren, eine Terminverzögerung in Kauf zu nehmen oder der Ressourceneinsatz zu erhöhen ist – Letzteres aller Voraussicht nach mit resultierenden Zusatzkosten.
Der agile Ansatz macht es sich hier deutlich leichter: Reichen Kosten und/oder Zeit nicht aus, um das angestrebte Sachziel zu erreichen, wird dieses eben reduziert. Geliefert wird, was in den Rahmen der verfügbaren Kapazität und damit des Budgets passt.
Das muss nicht, doch kann es falsch sein. Konkret: Wird aufgrund des unterschätzten Gesamtaufwandes eine Funktion gestrichen, kann dies zu einer überproportionalen Reduktion des Gesamtnutzens führen. In dem Fall wäre – unternehmerisches Denken vorausgesetzt – nach Möglichkeiten zu suchen, die Kapazität zu erhöhen. Dies unter der Annahme, dass der Einführungstermin hart gesetzt ist, was natürlich auch im agilen Umfeld gegeben sein kann.
Anderes Beispiel: Eröffnet der unerwartet schnelle Arbeitsfortschritt des Teams die Möglichkeit, ein weiteres Feature zu implementieren – vielleicht eine Herzenssache des Product Owners – dann kann der Zusatznutzen marginal, im schlechtesten Fall gar negativ sein. Die Ausleihe der überzähligen Teamkapazität an ein anderes Vorhaben wäre hier unternehmerisch gesehen hochgradig erstrebenswert. Dies ist in der agilen Welt jedoch absolut verpönt. Dabei entspricht es ganz einfach betriebswirtschaftlicher Logik, den personellen Ressourceneinsatz gezielt als aktive Stellgrösse zu nutzen.
… handelt letztlich betriebswirtschaftlich fahrlässig
In dem Zusammenhang ist in der agilen Welt zu fordern, sich vom Inseldenken zu lösen, wie es Agilität – vielleicht ungewollt, doch letztlich ziemlich konsequent – heranzüchtet und kultiviert.
Von Projektleitenden wird zu Recht erwartet, dass sie strategisch denken und sich für das Wohl des Unternehmens als Ganzes einsetzen. Agiles Projektmanagement hingegen fördert das «Gärtchen-Denken», was diesem Anliegen widerspricht. Projekt-Erfolgsmanagement, wie ich es im mittlerweile vergriffenen Projektmanagement-Buch fordere, darf nicht beim eigenen Vorhaben Halt machen. Es bedeutet, mit dem Projekt über dieses hinaus den Erfolg für die Organisation anzustreben. Dabei sind die Handlungsoptionen im magischen Dreieck stets integral im Blick zu behalten.
Solch unternehmerisches Denken und Handeln fördert nicht zuletzt auch den Austausch zwischen verschiedenen Projektteams. Dies wiederum bringt nicht nur das eigene Projekt voran, es fördert gleichzeitig den Zusammenhalt, den Austausch und die Kreativität aller Beteiligten. Und wer würde dies nicht wollen …
Quellen und weiterführende Informationen
Scheuring, H. (2016). Der www-Schlüssel zum Projektmanagement, B6.6 Projekt-Erfolgsmanagement (7.Aufl.). Zürich: Orell Füssli Verlag.