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Welche Herausforderungen stellen sich den Anwaltskanzleien bei der Digitalisierung von Prozessen? (Symbolbild)

Anwälte und Anwältinnen im heutigen Sinne gibt es noch nicht so lange, vor über 2’000 Jahren sprach man noch von Rhetorikern. Auch das heutige Bild wird viel von Fernsehsendungen mit Anwälten geprägt, die als Junganwalt bis tief in die Nacht arbeiten oder vor Gericht grossartige Reden halten. Was man auf den ersten Blick jedoch nicht sieht, ist, dass Anwaltskanzleien auch KMUs oder in manchen Fällen sogar Grossunternehmen sind. Auch hier gibt es Prozesse im Hintergrund, die tagtäglich ablaufen bzw. eingehalten werden müssen. Welche Arbeitsabläufe sind heute auf dem aktuellen Stand? Welche Arbeitsabläufe sind digital? Welche Arbeitsabläufe können optimiert werden? Es sind vordergründig einfache Fragen, welche aber relativ rasch aufzeigen, worum es hier geht.

Welche Probleme kristallisieren sich bei der Digitalisierung von Prozessen heraus?

Bei meinen täglichen Besuchen und dem regelmässigen Austausch mit Anwaltskanzleien sehe ich, wie Anwälte ihren Stundenaufwand in einer Worddatei erfassen, diese als Mailanhang an ihr Sekretariat senden, worauf die Assistentin eine Honorarrechnung erstellt und diese per Mail oder Post an den Klienten oder die Klientin schickt. Dieser Arbeitsablauf dient nur als Beispiel für den aktuellen Stand einer ganzen Branche, was die Digitalisierung betrifft. Natürlich darf man nicht alle Anwaltskanzleien in einen Topf werfen. Meines Erachtens kristallisieren sich folgende Probleme heraus:

  • IT-Affinität, bzw. IT-Know-how der Anwälte
  • Optionen und Möglichkeiten von modernen technologischen Lösungen kennen und verstehen
  • Einzuhaltende Regulatorien und Anwaltsgeheimnis dürfen nicht verletzt werden

IT-Affinität, bzw. IT-Know-how der Anwälte

Anwälte und Anwältinnen, die eine Kanzlei leiten, haben dieselbe Funktion wie jede andere Person, die ebenfalls ein Unternehmen leitet und sehen sich daher mit verschiedenen Fragen und Problemstellungen konfrontiert. Der Grossteil der Kanzleien hat weniger als 10 Mitarbeitende und daher, wie in vielen anderen Branchen auch, keine eigene IT-Abteilung. Wenn man als Geschäftsführer/in, dies gilt insbesondere auch für Anwaltskanzleien, keine Kompetenz im IT-Bereich mitbringt, ist es essenziell, mit einem verlässlichen IT-Partner zusammen zu arbeiten. Jede andere Entscheidung wäre hierbei fahrlässig. Dies betrifft nicht nur die Fragestellung rund um die Arbeitsabläufe, sondern natürlich auch die Themen rund um IT-Infrastruktur und damit auch IT Security.

Die Quintessenz ist nicht, dass die Anwälte und Anwältinnen nun zusätzlich ein IT-Studium absolvieren, sondern viel mehr sich die Kompetenz aneignen, die Themen richtig einzuordnen. Das bietet auch den Vorteil, dass man sich auf Augenhöhe mit IT-Lieferanten austauschen kann.

Optionen und Möglichkeiten von modernen technologischen Lösungen kennen und verstehen

Man kann sich schlicht und ergreifend nicht überall gleich gut auskennen. Bei vielen Kanzleien sehe ich, dass sie eine Lösung kennen und deren Produkt voll vertrauen, unabhängig davon, ob die Lösung 30 Jahre alt ist. Im Vergleich hierzu wäre das in etwa so, dass Sie immer noch ein Auto fahren, welches noch keinen elektrischen Fensterheber und immer noch ein Kassettendeck hat. Nicht dass dies falsch wäre, jedoch gibt es heutzutage Möglichkeiten, so etwas einfacher handzuhaben.

Aus Technologie-Sicht unterscheidet man Software-Lösungen, die entweder lokal installiert werden – dies kann der eigene Rechner oder ein eigener Server sein – sowie sogenannte Cloud-native Lösungen, auch Webapplikationen genannt. Die lokale Installation ist eine Variante, wie man das aus den letzten dreissig Jahren kennt und typischerweise auch so betrieben hat. Der Nachteil hierbei ist, dass man sich selbst um die Infrastruktur kümmern muss, notabene kann das auch ein IT-Partner sein, man ist jedoch selbst dafür verantwortlich.

Cloud-native Lösungen, wie zum Beispiel sogenannte "Software as a Service"-Angebote, vereinen sämtliche Dienstleistungen wie das zur Verfügungstellen der Ressourcen und das Betreiben der Software. Dies ist meist mit einer monatlichen Gebühr abzudecken. Solche Lösungen bringen den grossen Vorteil mit sich, dass man mit dem Rundherum nichts zu tun hat. Stellen Sie sich das so vor, dass Sie Ihr Auto nutzen, es aber nicht in die Garage bringen müssen, nicht reinigen, nicht tanken, nicht versichern und wenn mehr Personen zusteigen, sich jemand anderes darum kümmert, dass genügend Platz vorhanden ist.

Einzuhaltende Regulatorien und Anwaltsgeheimnis dürfen nicht verletzt werden

Die beste Technologie ist gut und recht, jedoch wird von jeder Anwaltskanzlei folgende Fragen gestellt: "Sind die Daten in der Schweiz (sofern wir über eine Cloud-Lösung sprechen)?", "Ist der Betreiber mit den wichtigsten Zertifikaten ausgerüstet?", "Sind die Daten so geschützt, dass ich das Anwaltsgeheimnis wahren kann?"

Die Datenschutzgesetze ändern sich gefühlt alle Jahre und haben zur Umsetzung mindestens auch so lange. Jedoch ist die Technik heute sehr stark ausgereift, dass die kritischen Fragen – welche durchaus berechtigt sind – in vielen Fällen obsolet sind. Aber auch hier gilt, sämtliche Vorgaben sorgfältig zu prüfen und den entsprechenden IT-Partner auch zu durchleuchten. Vor allem wenn es sich um einen unbekannten IT-Partner handelt.

Weder grosse noch kleine Anwaltskanzleien können es sich länger leisten, die Digitalisierung auszuklammern, wenn sie weiter wettbewerbsfähig bleiben wollen. Packen Sie also an!

Autor/in
Julian Deb

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CAS FH in Digital Office Management

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