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Persönlichkeit und Berufstätigkeit sind Bestandteil eines komplexen Person-Umwelt-Interaktionsprozesses, der bei der Berufswahl seine Wirkung erzielt. (Symbolbild)

Wer die Kombination «Banker» und «Image» googelt, stösst innert kürzester Zeit auf wenig vorteilhafte Bilder. In comic-mässiger Darstellung wird ein junger Mann im Anzug gezeigt, der triumphierend zwei prall gefüllte Geldsäcke hochhebt, oder – wieder ein Herr im Anzug – der mit einem brennenden Dollarschein eine Zigarre anzündet. Schnell wird klar: Mit dem Beruf des Bankers oder der Bankerin geht ein gewisses Image einher, und das hat sich seit den letzten Wochen dank des CS-Debakels nicht gerade verbessert. Dabei sind Stereotypen gegenüber gewissen Berufsgruppen keine Seltenheit. Da gibt es den nerdigen Informatiker, die fürsorgliche Krankenschwester oder den Wissenschaftler mit dem wirren Haar und der dicken Brille. Doch wie stark entsprechen diese Stereotype der Realität?

Das RIASEC-Modell

Auf den ersten Blick scheint es logisch und leicht mit «gesundem Menschenverstand» erklärbar zu sein: Psychologen sind einfühlsam und verständnisvoll, Buchhalterinnen sind sorgfältig und bürokratisch, und Banker konkurrenzorientiert und auf einen hohen Lohn fokussiert. Sonst hätten sie sich ja für einen anderen Beruf entschieden, der mehr mit ihren Persönlichkeitseigenschaften kompatibel ist, oder? Bei der Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit eines Menschen und seinem Beruf, beziehungsweise seinen beruflichen Interessen, wurde in der Vergangenheit einiges an Forschung betrieben. Sowohl die Eigenschaften einer Person als auch die persönlichen Interessen und Vorlieben spielen schon bei der Wahl der Ausbildung eine entscheidende Rolle. Laut Holland (1997) sind Persönlichkeit und Berufstätigkeit Bestandteil eines komplexen Person-Umwelt-Interaktionsprozesses, der bei der Berufswahl seine Wirkung erzielt. Basierend auf dieser Forschung entwickelte Holland das berühmte RIASEC-Modell, das sechs empirisch-faktorenanalytisch validierte Dimensionen beinhaltet, welche Persönlichkeit mit Berufstätigkeit verbinden. Dabei unterscheidet er zwischen den realistischen (R), investigativ-forschenden (I), künstlerisch-kreativen (A), sozialen (S), unternehmerischen (E) und ordnend-verwaltenden (C) Berufsfeldern, in denen wir tätig sind. Beispiele für die Zuordnungen zu den Berufsfeldern sind mechanische, technische oder landwirtschaftliche Tätigkeiten im Feld R oder juristische und kaufmännische Tätigkeiten im Feld C.

Berufsfelder und die Big-Five

Eine Metaanalyse von Larson, Rottinghaus und Borgen aus dem Jahr 2002 hat herausgefunden, dass die RIASEC-Dimensionen eine Verbindung mit den Big-Five-Persönlichkeitsfaktoren von Costa & McCrae (1992) aufweisen. Dabei zeigte sich eine Korrelation zwischen künstlerischer Orientierung und Offenheit für Erfahrungen, unternehmerischer Orientierung und Extraversion, der sozialen Dimension und Extraversion, der investigativen Dimension und Offenheit für Erfahrungen sowie der sozialen Orientierung und Verträglichkeit. Ähnliche Resultate zeigten sich auch in einer Masterarbeit von Pernstich (2015). Dort wurde erforscht, wie berufliche Interessen mit Persönlichkeitsmodellen zusammenhängen. Dabei wurde herausgefunden, dass es tatsächlich einige geschlechtsübergreifende Zusammenhänge gibt, was die Persönlichkeit und das Interesse an einer beruflichen Tätigkeit betrifft. Eine starke Ausprägung in der Dimension für Offenheit hängt mit Interesse im künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich zusammen, während extravertierte Menschen sich eher für soziale und unternehmerische Berufe begeistern können. Menschen mit einer höheren narzisstischen Ausprägung interessierten sich eher für unternehmerische Karrieren, während Personen mit hohen Werten in der Gewissenhaftigkeit sich für verwaltende und ordnende Tätigkeiten interessieren (Pernstich, 2015).

Der Einfluss der Arbeit auf die Persönlichkeit

Umgekehrt kann die Arbeit auch eine wichtige Rolle bei der Persönlichkeitsentwicklung spielen. Laut einer Studie der Berliner Humboldt-Universität verändern sich Menschen während ihrer ersten Festanstellung, sie werden merklich extravertierter, verträglicher und auch gewissenhafter (Asselmann & Specht, 2021). Das liegt vor allem daran, dass sich die Personen in ihrem Arbeitsalltag auch entsprechend zuverlässig, freundlich und professionell verhalten müssen, was sich dann aber im Pensionsalter wieder lockert. Ein Forschungsteam der Universität Bern in Kooperation mit der Universität Genf hat zudem herausgefunden, dass sich die Persönlichkeit mit dem Anstieg von Prestige und Einkommen ebenfalls verändert. Aus Daten von über 4'700 berufstätigen Erwachsenen aus Deutschland konnten die Forschenden feststellen, dass mit beruflichem Erfolg die emotionale Stabilität und die Offenheit für Erfahrungen zunimmt. Die Ausprägungen in der Dimension für Extraversion nahmen aber ab, das heisst die Personen wurden im Schnitt weniger gesellig und gesprächig (Hirschi, Johnston, De Fruyt, Ghetta, & Orth, 2021).

Zusammenfassung

Ob stereotypische Zuschreibungen in jedem Fall und bei jeder Person nun zutreffen, ist zweifelhaft. Wie stark die einzelnen Berufsfelder mit Persönlichkeitseigenschaften zusammenhängen, kann ebenfalls nicht abschliessend beantwortet werden. Allerdings gibt es einiges an Forschung zu diesem Thema, die zeigt, dass Menschen mit gewissen Ausprägungen der Persönlichkeitsdimensionen sich zu einem bestimmten Bereich des RIASEC-Modells hingezogen fühlen. Zudem hat auch unsere Berufstätigkeit einen Einfluss auf unsere Persönlichkeit, in dem wir im Zusammenhang mit unserer Arbeitstätigkeit verträglicher, extravertierter und gewissenhafter – und manchmal sogar emotional stabiler – werden.

Quellen und weiterführende Informationen:

Asselmann, E. & Specht, J. (2021). Personality maturation and personality relaxation: Differences of the Big Five personality traits in the years around the beginning and ending of working life. Journal of Personality, 89(6), 1109 - 1262. https://doi.org/10.1111/jopy.12640

Costa, P. T., & McCrae, R. R. (1992). Four ways five factors are basic. Personality and Individual Differences, 13(6), 653–665. https://doi.org/10.1016/0191-8869(92)90236-I

Hirschi, A., Johnston, C. S., De Fruyt, F., Ghetta, A., & Orth, U. (2021). Does success change people? Examining objective career success as a precursor for personality development. Journal of Vocational Behavior, 103582. https://doi.org/10.1016/j.jvb.2021.103582

Holland, J. L. (1997). Making vocational choices: A theory of vocational personalities and work environments (3rd ed.). Psychological Assessment Resources.

Larson, L., M., & Rottinghaus, P., J., Borgen, F., H. (2002). Meta-analyses of Big Six Interests and Big Five Personality Factors. Journal of Vocational Behavior, 61(2), 217–239. https://doi.org/10.1006/jvbe.2001.1854

Pernstich, A. (2015). Der narzisstische Manager, der sorgfältige Buchhalter und der unkonventionelle Künstler. Studie zum Zusammenhang zwischen der Dunklen Triade der Persönlichkeit, dem HEXACO-Modell und den beruflichen Interessen nach Holland. Institut für Psychologie, Karl-Franzens-Universität Graz.

Autor/in
Lea Schlenker

Lea Schlenker

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Master of Science FH in Angewandter Psychologie

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