Frauen in einer Gruppe Frauen in einer Gruppe
Zwischen der Unternehmensleistung und der Anwesenheit von Frauen im Aufsichtsrat gibt es einen Zusammenhang. (Symbolbild)

In den letzten Jahren hat die Präsenz von Frauen in Leitungs- und Kontrollgremien von Unternehmen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik viel Beachtung gefunden. Es gibt jedoch nach wie vor ganz unterschiedliche empirischen Befunde zu dem Zusammenhang zwischen weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern und der finanziellen Leistungsfähigkeit von Unternehmen (e.g. Kirsch, 2018; Joecks et al. 2013). Zudem sind die genauen Mechanismen, die diesen Zusammenhang erklären, noch nicht vollständig verstanden.

Die Studie

In unserer quantitativen Analyse auf der Grundlage deutscher Daten stellen wir fest, dass die Anwesenheit von weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern mit einer höheren Anwesenheitsquote bei den Aufsichtsratssitzungen einhergeht und dass eine höhere Anwesenheit bei den Aufsichtsratssitzungen mit einer besseren finanziellen Leistung verbunden ist. Interessanterweise ist letzteres jedoch nur dann der Fall, wenn mehr als eine Frau in den Aufsichtsrat berufen wird. Wenn es nur eine Frau im Aufsichtsrat gibt, hat ihre Anwesenheit einen positiven Einfluss auf die Gesamtanwesenheitsquote, aber diese führt nicht automatisch zu einer besseren Unternehmensperformance.

Um die Mechanismen, die unseren Ergebnissen zugrunde liegen, besser zu verstehen, haben wir Interviews mit 17 weiblichen und männlichen Aufsichtsratsmitgliedern geführt. Mithilfe der Critical-Incidence-Methode (Flanagan, 1954) konnten wir authentische Beschreibungen der Interaktion zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern in den Diskussionen in den Sitzungen erhalten. Wir fanden heraus, dass die Anwesenheitsquote als Proxy für mehrere Zwischenprozesse im Aufsichtsrat dient. Dabei zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass weibliche Aufsichtsmitglieder auch tatsächlich in die Diskussionen im Aufsichtsrat einbezogen werden und somit in der Lage sind, die Entscheidungen des Aufsichtsrats zu beeinflussen, entscheidend davon abhängt, ob nur eine Frau im Aufsichtsrat sitzt (geringe Wahrscheinlichkeit, dass diese eine Frau gehört wird) oder ob mehrere Frauen im Aufsichtsrat sitzen (deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen gehört werden).

Zusammenfassung der Ergebnisse

Unsere Studie ist zwar korrelativ und bezieht sich auf Zusammenhänge zwischen Variablen ohne kausale Interpretation, aber sie deckt einen wichtigen Mechanismus auf, der eine Verbindung zwischen weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern und der Unternehmensleistung herstellt, nämlich die Anwesenheit  bei Aufsichtsratssitzungen, und - was noch wichtiger ist - sie weist auf eine entscheidende Randbedingung für die Verbindung zwischen weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern, deren Anwesenheit im Aufsichtsrat und der finanziellen Unternehmensleistung hin: Die Integration von weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern in die Diskussionen im Aufsichtsrat. Ob die Tatsache, dass nur eine Frau im Aufsichtsrat sitzt, bedeutet, dass sie nicht gehört wird, weil sie als Vertreterin ihres Geschlechts und nicht als Einzelperson mit eigenem Fachwissen angesehen wird (wie die Theorie der kritischen Masse nahelegen würde (Kanter, 1977)), oder ob die Tatsache, dass nur eine Frau im Aufsichtsrat sitzt, selbst ein Hinweis darauf ist, dass das potenziell unterschiedliche Fachwissen von weiblichen Aufsichtsmitgliedern in dem jeweiligen Unternehmen nicht wirklich geschätzt wird, können wir anhand der Daten nicht feststellen. Eines ist allerdings klar: Wenn weibliche Mitglieder des Aufsichtsrats nicht in dessen Diskussionen einbezogen werden, bleibt ihre Ernennung eine verpasste Chance.

Weiterführende Informationen zur Studie finden Sie unter: Women directors, board attendance, and corporate financial performance - Joecks - Corporate Governance: An International Review - Wiley Online Library

 

Quellen und weiterführende Informationen

 

Flanagan, J. C. (1954). The critical incident technique. Psychological Bulletin, 51(4), 327–358. https://doi.org/10.1037/h0061470

Kanter, R. (1977). Some effects of proportions on group life: Skewed sex ratios and responses to token women. American Journal of Sociology, 82(5), 965–990. https://doi.org/10.1086/226425

Kirsch, A. (2018). The gender composition of corporate boards: A review and research agenda. The Leadership Quarterly, 29(2), 346–364. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2017.06.001

Joecks, J., Pull, K., & Vetter, K. (2013). Gender diversity in the boardroom: What exactly constitutes a critical mass? Journal of Business Ethics, 118(1), 61–72.https://doi.org/10.1007/s10551-012-1553-6

 

Autor/in
Jasmin Joecks

Prof. Dr. Jasmin Joecks

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