Gutschriften für Unterstützungsleistungen
Die Stadt St. Gallen geht mit dem Projekt Zeitvorsorge neue Wege: Wer eine ältere Person im Alltag unterstützt, der bekommt selbst eine Zeitgutschrift für eine zukünftige Unterstützungsleistung. Careum Forschung evaluiert das Projekt zusammen mit Infras.
Ausgangslage
Immer mehr Menschen erreichen heutzutage dank medizinischem Fortschritt und besseren Lebensbedingungen ein hohes Alter. Damit steigt auch die Nachfrage nach Unterstützung, Betreuung und Pflege. Gleichzeitig fehlt es überall im Gesundheits- und Sozialwesen an Personal, um diesen wachsenden Bedarf zu decken. Diese Entwicklung verlangt nach innovativen Lösungen. Eine davon ist das 2012 initiierte Projekt Zeitvorsorge, an dem sich neben der Stadt St. Gallen und dem kantonalen Amt für Soziales des Kantons auch lokale (Leistungserbringer)-Organisationen beteiligen.
Die Geschäftsstelle ist für die administrative Abwicklung der Zeitvorsorge zuständig und wird von der Stiftung Zeitvorsorge betrieben. Das Projekt startete Mitte 2014 nach einer Testphase. Es reiht sich ein in eine grössere Gruppe ähnlicher Modelle ein, sowohl international als auch national (z. B. Verein Kiss).
Der Grundgedanke der Zeitvorsorge besteht im aktiven «Ansparen» von Unterstützungsleistungen im Rahmen der Altersvorsorge. Immer mehr ältere Menschen suchen Aktivitäten, mit denen sie sich im Sinne eines nachhaltigen Generationenvertrags einbringen können. Noch rüstige Seniorinnen und Senioren engagieren sich als Zeitvorsorgende für andere alte Menschen im Rahmen der praktischen Alltagsbewältigung. Dafür werden ihnen auf einem individuellen Konto Zeitguthaben angerechnet. Diese können bei einem späteren eigenen Bedarf gegen Leistungen anderer Zeitvorsorgender eingelöst werden. Es handelt sich dabei also nicht um klassische Freiwilligenarbeit. In der Startphase koordinieren professionelle Leistungserbringer wie Pro Senectute, Spitex-Organisationen oder Alters- und Pflegeheime die Einsätze der Zeitvorsorgenden. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen sich Personen mit Zeitgutschriften auch selbst Zeitvorsorgende organisieren können.
Das Amt für Gesellschaftsfragen der Stadt St. Gallen lässt nun das Projekt nach einer kurzen Laufzeit extern beurteilen. Die Evaluation wird von einer Arbeitsgemeinschaft von Infras (Leitung) und Careum Forschung durchgeführt.
Projekt
Im Fokus der Evaluation stehen die bisherigen Erfahrungen mit den angeschlossenen Einsatzorganisationen, aktiven Zeitvorsorgenden und Leistungsbeziehenden. Beurteilt wird das Konzept, die Organisation und Umsetzung des Projekts Zeitvorsorge sowie die daraus resultierenden Leistungen und Wirkungen auf die beteiligten Personen. Die Öffentlichkeit interessiert sich auch dafür, ob durch das Projekt Zeitvorsorge tatsächlich Übertritte in stationäre Einrichtungen verhindert oder verzögert werden können.
Zentrale Fragen beziehen sich letztlich auf die gleichen Fragen, wie sie an die mittlerweile zahlreichen Zeitgutschriftsmodelle gestellt werden: ob ein Nutzen für die öffentliche Hand (vgl. dazu die neue BASS-Studie) und die Individuen entsteht, wie gut die Zeitvorsorge den Bedürfnissen aller Beteiligten entspricht, ob Abläufe, Regelungen und Organisationsstrukturen gut dazu passen, wie die Koproduktion mit den professionellen Leistungserbringern sowie den Hilfebedürftigen gelingt und ob die Zeitvorsorge Einflüsse auf die anderen Formen freiwilliger Tätigkeit hat.
Methodisch stützt sich die Evaluation sowohl auf die Auswertung vorhandener und neu erhobener Daten (quantitativ und interpretativ) sowie auf qualitative Elemente (z. B. Fokusgruppen und Interviews).
Projektteam
Infras (Gesamtleitung und operative Projektleitung): Thomas von Stokar, Judith Trageser, Eva Gschwend
Careum Forschung: Prof. Dr. Ulrich Otto, Anna Hegedüs
Auftraggeber
Laufzeit
März 2016–Juni 2017
Weiterführende Informationen
Evaluation Schlussbericht (Mai 2017)
Evaluationsbericht KISS Schweiz (Juni 2017)
Zeitvorsorge St. Gallen
Infovideo der Zeitvorsorge St. Gallen
Verein KISS
Quantifizierung des Nutzens der Zeitvorsorge KISS (Factsheet zur BASS-Studie April 2016)