Covid-19-Stundung Covid-19-Stundung
Covid-19-Stundung (Symbolbild)

Zur Bewältigung der Folgen der Corona-Krise hat der Bundesrat in bemerkenswertem Tempo diverse Notverordnungen erlassen. Zur Verhinderung einer Konkurswelle wurde per 20. April 2020 die Verordnung über insolvenzrechtliche Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (C19 Vo Inso) in Kraft gesetzt. Diese enthält u.a. ein neues Rechtsinstitut, die COVID-19-Stundung. Schuldnern, die wegen der Corona-Krise finanziell bedrängt sind, soll sie eine Verschnaufpause ermöglichen. Das Verfahren und die Anforderungen wurden sehr einfach gehalten, in der Absicht, dass möglichst viele Unternehmen davon Gebrauch machen können. In diesem Beitrag werden die COVID-19-Stundung und die ersten (wenigen) praktischen Erfahrungen vorgestellt.

Die befürchtete Welle, mit einer sehr grossen Anzahl an Gesuchen für eine COVID-19-Stundung, ist (bisher) ausgeblieben. Beim Nachlassgericht Zürich sind bis Mitte Juli 2020 vier Gesuche eingegangen und alle wurden bewilligt. Gesamtschweizerisch liegt die Zahl bei insgesamt 12 bewilligten Gesuchen (Stand 21. Juli 2020). Über die Gründe, weshalb die Welle bisher ausgeblieben ist, kann ich nur spekulieren. Eine wesentliche Rolle spielen sicherlich die COVID-19-Kredite, welche die Liquiditätsprobleme der Unternehmen vorerst entschärft haben. Zudem hilft vielen Unternehmen die Kurzarbeitsentschädigung, welche sie aufgrund der Corona-Krise beziehen können.

 

Voraussetzungen und Verfahren

Die COVID-19-Stundung steht jeder Einzelunternehmung (unabhängig vom Eintrag im Handelsregister), Personengesellschaft (z.B. Kollektivgesellschaft) oder juristischen Person (z.B. AG, GmbH) offen. Potenziell könnten in der Schweiz mehr als 600'000 Rechtseinheiten diese neue Art der Stundung in Anspruch nehmen. Publikumsgesellschaften bzw. Gesellschaften mit grossem Umsatz und einer grösseren Anzahl Angestellten steht sie aber nicht offen (vgl. dazu Art. 727 Abs. 1 OR). Die COVID-19-Stundung kann zunächst für höchstens drei Monate gewährt werden (Art. 6 Abs. 1 C19 Vo Inso). Sie kann um maximal weitere drei Monate verlängert werden (Art. 7 Abs. 1 C19 Vo Inso).

Zuständig für die Bewilligung ist das Nachlassgericht am Sitz der Gesellschaft bzw. bei natürlichen Personen an deren Wohnsitz. Das Gesuch kann schriftlich eingereicht oder beim Gericht zu Protokoll gegeben werden. Einzige Voraussetzung ist, dass die Schuldnerin per Ende Dezember 2019 nicht überschuldet war (oder über die Überschuldung abdeckende Rangrücktritte verfügte). Mit dieser Voraussetzung soll sichergestellt werden, dass nur Schuldner, welche vor der Corona-Krise finanziell gesund waren, von der COVID-19-Stundung Gebrauch machen können. Im Übrigen muss die Schuldnerin das Gesuch nicht weiter begründen. Dazu stellt sich die Frage, ob das Nachlassgericht wirklich nur prüfen muss bzw. darf, dass die Schuldnerin Ende Dezember 2019 nicht überschuldet war? Diese Frage ist im Grundsatz zu bejahen. In jedem Fall hat das Gericht aber das Rechtsmissbrauchsverbot zu beachten. Ein Rechtsmissbrauch würde vorliegen, wenn die Schuldnerin im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung des Schutzes durch die COVID-19-Stundung nicht bedarf. Dies wäre z.B. der Fall, wenn sie gar nicht in finanzieller Bedrängnis ist.

Die an unserem Gericht bisher behandelten Fälle zeigen, dass die COVID-19-Stundung ein rasches, einfaches und unbürokratisches Instrument ist. Die Entscheide ergingen jeweils innert eines Arbeitstages, wobei drei der vier Schuldner eine Zwischenbilanz per Ende 2019 eingereicht haben. In einem Fall prüfte das Gericht anhand anderer Unterlagen (u.a. einer Bilanz per Ende 2018) die fehlende Überschuldung per Ende 2019. Die Kosten für die Bewilligung der Stundung beliefen sich auf einen Betrag zwischen CHF 200 und CHF 500.

 

Wirkungen und Ausblick

Die für die Schuldner wichtigste Wirkung der Stundung liegt darin, dass für Forderungen welche vor der Stundung entstanden sind, eine Betreibung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden kann (Art. 12 Abs. 1 C19 Vo Inso). Der Schuldner hat somit Zeit, ohne Betreibungsdruck zu wirtschaften und allenfalls mit den Gläubigern eine Lösung zu finden. Eine für den Schuldner nachteilige Folge der COVID-19-Stundung ist, dass das Nachlassgericht die Stundung in jedem Fall im Schweizerischen Handelsamtsblatt und im Kantonalen Amtsblatt publizieren muss (Art. 10 Abs. 1 C19 Vo Inso). Häufige nachteilige Folge der Publikation ist, dass die Lieferanten der Schuldnerin nur noch gegen Vorauszahlung liefern. Dies verschärft die häufig ohnehin schon angespannte Liquiditätslage.

Die C19 Vo Inso ist einstweilen für sechs Monate, also bis 20. Oktober 2020, in Kraft (Art. 23 Abs. 2 C19 Vo Inso). Der Bundesrat hat am 19. Juni 2020 eine Vernehmlassung zum COVID-19-Gesetz eröffnet. Mit der Vorlage soll das bisherige Massnahmenpaket des Bundesrates durch einen Beschluss des Parlaments gesetzlich abgestützt werden. Nach Art. 6 dieses Gesetzes kann der Bundesrat, soweit dies zur Verhinderung von Massenkonkursen und zur Stabilisierung der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich ist, vom Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) abweichende Bestimmungen erlassen. Dies gilt u.a. auch für die COVID-19-Stundung. Mit dieser Gesetzesvorlage soll die Grundlage für eine allfällige Verlängerung der abweichenden und ergänzenden Bestimmungen zum SchKG geschaffen werden. Es ist davon auszugehen, dass der Bundesrat von dieser Kompetenz – soweit dieses Gesetz vom Parlament in Kraft gesetzt wird – Gebrauch machen wird. Es ist nämlich anzunehmen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise erst Ende dieses bzw. anfangs nächsten Jahres voll durchschlagen werden. Daher ist zu hoffen, dass das einfache und unbürokratische Instrument der COVID-19-Stundung auch nach dem 20. Oktober 2020 in Kraft bleibt.

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