Richterhammer und Banknoten Richterhammer und Banknoten
Revision des Insolvenzrechts der Banken, stille Sanierung von Banken und die FINMA (Symbolbild)

Im zweiten Teil der Blogserie erläuterte der Autor die Sanierung insolventer Banken vor 1934, nach dem Bankengesetz von 1934 sowie Weiterentwicklung von Aufsichts- und Sanierungsrecht 1970/1971. Im vorliegenden Beitrag wird die Revision des Insolvenzrechts der Banken, auf die stille Sanierung von Banken und auf die 2007 verabschiedete Finanzmarktaufsicht ausgeführt.

Revision des Insolvenzrechts der Banken

Mit Botschaft vom 20. November 2002 unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Räten eine Vorlage zur Revision des Insolvenzrechts der Banken (BBl 2002 8060). Den Beweggrund für die Revision umschrieb der Bundesrat: «Die geltenden Bestimmungen im Bundesrecht über die Bankensanierung und Bankenliquidation sind revisionsbedürftig. Dies ist nicht erst seit der seinerzeitigen Schliessung der Spar- und Leihkasse Thun (SLT) klar, welche in der Öffentlichkeit grosse Betroffenheit auslöste und über die Landesgrenzen hinaus Wellen warf. Das auch heute noch nicht abgeschlossene Liquidationsverfahren der SLT hat erneut die zahlreichen Verfahrensmängel aufgezeigt; auch der Ruf nach einem verstärkten Schutz der Einleger wurde laut. Aus diesen Gründen und weil eine Bankenschliessung ohne weiteres landesweite Auswirkungen zeitigen kann, erscheint es wichtig, das rechtliche Instrumentarium bereitzustellen, welches die rechtzeitige Sanierung – nötigenfalls aber auch die effiziente und kostengünstige Liquidation – einer insolvenzgefährdeten Bank ermöglicht. Nur so kann der Schaden für die zahlreichen Gläubiger möglichst klein gehalten werden. Ein griffiges Recht für Bankensanierung und Bankenliquidation ist im Übrigen auch für den schweizerischen Bankenplatz unabdingbar.» (BBl 2002 8060, Seite 8061)
Die Revision wurde von National- und Ständerat am 3. Oktober 2003 beschlossen und nach unbenutztem Ablauf der Referendumsfrist am 1. Juni 2004 in Kraft gesetzt (AS 2004 2767).

Aufhebung der Trennung der Aufsicht von Bankentätigkeit und Sanierungsmassnahmen

Die Trennung von Aufsicht über die Bankentätigkeit und Anordnung und Aufsicht über Sanierungsmassnehmen wurde aufgehoben (Art. 23-24 BankG). Bereits bei begründeter Besorgnis der Überschuldung, ernsthafter Liquiditätsprobleme oder der Unfähigkeit der Bank, die Eigenmittelvorschriften zu erfüllen, hatte die Bankenkommission die ihr nötig erscheinenden Sanierungsmassnahmen anzuordnen (Art. 25 ff. BankG). War eine Sanierung nötig und möglich, hatte die Bankenkommission ein Sanierungsverfahren einzuleiten (Art. 28 BankG), das unter ihrer Leitung durchzuführen war. Bestand keine Aussicht auf Sanierung, hatte die Bankenkommission das Konkursliquidationsverfahren anzuordnen, einen Konkursliquidator- oder eine Konkursliquidatorin zu ernennen, die unter Aufsicht der Bankenkommission die Liquidation nach den Regeln des SchKG durchzuführen hatte (Art. 33 BankG). Dabei durfte die Bankenkommission von den Regeln des SchKG im Einzelfall oder generell auf dem Verordnungswege abweichen (Art. 34 BankG).
Den Grund für diese neue Zuständigkeitsordnung beschreibt die Botschaft wie folgt: «Die Massnahmen zum Schutz und zur Sanierung einer bedrohten Bank können nur dann ihren vornehmlichen Sinn und Zweck – die Verhinderung einer Liquidation – erfüllen, wenn sie rasch, sachgerecht und den Umständen des Einzelfalls angemessen ergriffen werden. Der Entscheid ist von einer Behörde zu treffen, welche sich umgehend ein realistisches und umfassendes Bild von der Lage verschaffen und gestützt darauf die notwendigen Massnahmen treffen kann. Aufgrund der speziellen Natur einer Bankeninsolvenz und den damit verbundenen banktechnischen Fragen gibt es neben der Bankenkommission keine Behörde, welche die Aufgabe der hier geforderten Fachinstanz effizient wahrnehmen könnte. Es ist daher richtig, den Entscheid über die zu treffenden Schutz- und Sanierungsmassnahmen in die Hände der Bankenkommission zu legen.» (BBl 2002 8060, Ziffer 2.1.1.1.3., Seite 8071).
Es gab nunmehr keine Zuständigkeit kantonaler Gerichte oder Behörden mehr und die Organe der Zwangsvollstreckung waren ausschliesslich durch die Bankenkommission zu ernennen und zu überwachen. Das Sanierungs- und Insolvenzrecht der Banken hatte sich formal und materiell vollständig vom SchKG gelöst.

Stille Sanierung von Banken

Schon in der Botschaft zur Revision des Sanierungsrechts für Banken wird auf eine Praxis der Bankenkommission hingewiesen, die im Gesetz kaum Niederschlag gefunden hat, jedoch einzelnen öffentlich bekanntgewordenen Bankübernahmen zugrunde liegen dürfte. Der Bundesrat beschrieb das Vorgehen der Bankenkommission bei finanziellen Problemen von Banken wie folgt:
«Bereits nach geltendem Recht versucht die Bankenkommission vorerst eine «stille Sanierung» von insolvenzgefährdeten Banken oder solchen mit Eigenmittelmanko. Die Sanierung kann in direkten Kapitalzuschüssen eines Hauptaktionärs, der Ausgliederung gefährdeter Aktiven oder der Übernahme der Bank durch eine andere Bank bestehen. Darüber hinaus kann bei einer Bank mit wenigen grossen Gläubigern allenfalls versucht werden, mit diesen informell über eine Sanierung zu verhandeln.» (BBl 2002 8060, Ziffer 2.1.1.1.2., Seite 8070).
Die Botschaft erwähnt hier ausdrücklich die Möglichkeit, eine Bank zu «sanieren» indem sie von einer anderen Bank übernommen wird. Dabei spielt der regelmässige Nachweis von ausreichend Eigenmitteln und Liquidität nach dem dritten Abschnitt des Bankengesetzes (Art. 4 ff. BankG) wohl die Rolle eines Frühwarnsystems; denn wenn dieser Nachweis nicht erbracht werden kann, sind Schutzmassnahmen anzuordnen (Art. 25 BankG). Mit solchen Schutzmassnahmen lässt sich Zeit gewinnen, die für eine stille Sanierung genutzt werden kann (Art. 26 BankG).
Die Bankensanierung ist also dreistufig, obwohl sich das aus dem Gesetz nur indirekt ergibt: In einem ersten Schritt werden informelle Kontakte mit den Organen der Bank und anderen Banken geknüpft, um die Probleme der in finanziellen Problemen steckenden Bank möglichst rasch beheben zu können. Dabei kann auch die Übernahme durch ein anderes Bankinstitut eingeleitet werden. Begleitet werden können solche Kontakte falls nötig mit Schutzmassnahmen nach Art. 26 BankG. Das zu solchen Schutzmassnahmen auch Anweisungen an die Organe der in Probleme geratenen Bank gehören, diese sogar abberufen werden können (Art. 26 Absatz 1 lit. a und c), dürfte für die Suche nach einer Lösung hilfreich sein. Erst In einem zweiten Schritt wird ein Sanierungsverfahren eingeleitet (Art. 28 BankG), dem dann unter Umständen in einem dritten Schritt die Konkursliquidation folgt (Art. 33 ff. BankG).

Von der Bankenkommission zur FINMA

Im Sommer 2007 verabschiedeten die Eidgenössischen Räte das neue Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht. Es ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten. Seither wird die Aufgabe der Bankenkommission von einer selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt mit dem Namen „Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA)“ wahrgenommen. Mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes wurden die Ausdrücke „Eidgenössische Bankenkommission“ und „Bankenkommission“ durch den Ausdruck „FINMA“ ersetzt. Auch andere Begriffe wurden geändert: Anstelle der Begriffe „Revision“ trat der Ausdruck „Prüfung“, statt von „Revisionsstelle“ ist von „Prüfgesellschaft“ die Rede und der „Revisionsbericht“ wird im Gesetz als „Prüfbericht“ bezeichnet (AS 2008 5205). Davon abgesehen änderte sich an den Regeln zum Insolvenzverfahren- und zur Sanierung von Banken nichts Wesentliches.

Seit dem Inkrafttreten der Revision von 2007 sind sowohl die Aufsicht, als auch die erste Stufe einer Sanierung (informelle Gespräche auch zur Übernahme der Bank durch eine andere Bank), als auch die zweite Stufe (Sanierung der Bank) sowie die dritte Stufe (Liquidation der Bank) durch die FINMA auszuüben oder durch Beauftragte der FINMA auszuführen. SchKG-Regeln kann die FINMA anwenden, wo sie passen, sie muss aber nicht.

Im aktuell geltenden Bankengesetz (BankG SR 952) existieren nur einige wenige Bestimmungen, die Regeln des SchKG als anwendbar erklären. Verweise ins SchKG finden sich auch in der von der FINMA erlassenen Verordnung über die Insolvenz von Banken und Wertpapierhäusern (Bankeninsolvenzverordnung-FINMA, BIV-FINMA) vom 30. August 20212 (SR 952.05). Wichtige Verweise ins SchKG gestatten aber der FINMA ausdrücklich, von ihnen abzuweichen.

Die Regeln des SchKG über das Nachlassverfahren sind dem klaren Wortlaut des Gesetzes nach nicht anwendbar (Art. 27 Absatz 3 BankG). Lediglich Art. 297 SchKG über den Zinsenlauf gilt, aber nur, wenn die FINMA nicht anderes verfügt (Art. 26 Absatz 3 BankG).
Die Anfechtung von Rechtsgeschäften, mit denen die Masse im Vorfeld einer Sanierung oder eines Konkurses geschädigt worden ist, richtet sich im Sanierungsverfahren der Banken nach Art. 285-292 SchKG (Art. 32 BankG). Rechtsgeschäfte in einem von der FINMA genehmigten Sanierungsplan können allerdings nicht angefochten werden (Art. 32 BankG). Anfechtungsansprüche im Bankenkonkurs sind zu prüfen, mögliche Ansprüche ins Inventar aufzunehmen und den Gläubigern zur Abtretung nach Art. 260 SchKG anzubieten, sofern die Konkursmasse nicht selber vorgehen will (Art. 21 Absatz 3 und 5 BIV-FINMA).
Art. 197-220 SchKG regeln die Wirkungen der Konkurseröffnung und gelten auch im Bankenkonkurs (Art. 33 ff. BankG). Die Konkursliquidation ist nach den Art. 221-270 SchKG durchzuführen; die FINMA darf davon allerdings abweichen (Art. 34 BankG). Die Art. 221-229 SchKG bilden die Richtlinie für die Inventaraufnahme im Bankenkonkurs; die FINMA darf aber auch von diesen Bestimmungen abweichen (Art. 16 Absatz 2 BIV-FINMA).
Art. 219 Absatz 4 SchKG ist bei Kapitalmassnahmen im Sanierungsverfahren zu respektieren (Art. 30b Absatz 3 BankG). Im Bankenkonkurs ist bei Auszahlungen aus den verfügbaren liquiden Aktiven der Rangordnung von Art. 219 SchKG Rechnung zu tragen (Art. 37b Absatz 2 BankG).
Die Art. 257-259 SchKG sind für die öffentliche Versteigerung von Vermögenswerten auch in einem Bankenkonkursverfahren anwendbar (Art. 32 BIV-FINMA).
Die Abtretung von Ansprüchen der Masse an Gläubiger, richtet sich auch im Bankensanierungs- und Insolvenzverfahren nach Art. 260 SchKG (vgl. Art. 37e Absatz 2 BankG). Nach Art. 260 SchKG den Gläubigern zur Abtretung anzubieten sind: Die Bestreitung der Aussonderung von Vermögensgegenständen aus der Konkursmasse (Art. 20 Absatz 2 BIV-FINMA), Ansprüche im Rahmen der Sicherung der Vermögenswerte für die Konkursmasse (Art. 21 Absatz 5 BIV-FINMA), Ansprüche aus der Erledigung hängiger Zivil- oder Verwaltungsverfahren (Art. 22 Absatz 2 und Art. 28 Absatz 2 BIV-FINMA). Bei diesen Fällen geht es stets um Ansprüche, die die Masse selber nicht verfolgen will, z.B. weil die Konkursverwaltung den damit verbundenen Aufwand als zu gross erachtet oder die Erfolgsaussichten als zu gering einstuft.
Klagen gegen die Zulassung oder Abweisung von Forderungen im Kollokationsplan richten sich nach Art. 250 SchKG (Art. 30 Absatz 1 BIV-FINMA).

Keine Abweichung vom SchKG gestattet das Gesetz der FINMA lediglich bei der Anfechtung nach Art. 285 ff. SchKG, der öffentlichen Versteigerung von Vermögenswerten in der Konkursmasse nach Art. 257 ff. SchKG, den Wirkungen der Konkurseröffnung nach Art. 197 ff. SchKG, der Abtretung von Ansprüchen nach Art. 260 SchKG und der Kollokationsklage nach Art. 250 SchKG. Die FINMA muss also die Regeln des SchKG im Sanierungs- und Konkursverfahren nur punktuell anwenden. Im Rahmen der Behördenorganisation besteht – abgesehen von der Kollokationsklage – überhaupt keine Zuständigkeit von SchKG-Behörden: Die FINMA ist zuständig für die Aufsicht, zuständig für die Anordnung von Schutzmassnahmen, zuständig für die Anordnung von Sanierungsmassnahmen und zuständig für die Anordnung und die Aufsicht über das Konkursverfahren. Wie im ersten Teil dieser Beitragsreihe bereits formuliert: Dem SchKG bleibt die Anwendung in der Bankensanierung oder im Konkursverfahren der Banken weitgehend versagt; es besteht ein besonderes Sanierungs- und Insolvenzrecht für Banken.

Autor/in
Thomas Gattlen

Dr. iur. RA Thomas Gattlen

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Recht
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CAS FH in Paralegal

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