Kostenwahrheit
Kostenwahrheit bedeutet: Zuerst die Rechtslage klären (im Sinn des Verursacherprinzips) und erst dann über Umweltziele und Massnahmen entscheiden (Quelle: Schläpfer & Ahmadi 2023, Kostenwahrheit in Landwirtschaft und Ernährung)

Im Zusammenhang der Klimapolitik erhält die Frage nach der «Kostenwahrheit» auch in der Agrar- und Ernährungspolitik zunehmende Beachtung. Ausgehend von einer Analyse des Status Quo wurde in diesem Projekt die Bedeutung von Verursacherprinzip und Kostenwahrheit für eine nachhaltige, effiziente und faire Schweizer Agrar- und Ernährungspolitik untersucht. Es wurden die konzeptionellen Grundlagen erläutert und Instrumente, Massnahmen, Pfade und Etappen für die Umsetzung von Kostenwahrheit im Hinblick auf die Erreichung der Klima- und Umweltziele der Landwirtschaft skizziert.

Aus der Analyse des Status Quo und der Bedeutung von Kostenwahrheit ergaben sich folgende Erkenntnisse:

  1. Das Verursacherprinzip, also der Grundsatz, dass (gewisse) Kosten – im Sinn von Kostenwahrheit – ihren Verursachern anzulasten sind, ist im Umweltrecht in der Schweiz und vielen anderen Ländern verankert.
  2. Die Agrar- und Ernährungspolitik der Schweiz ist heute vom Verursacherprinzip und vom Grundsatz der Kostenwahrheit weit entfernt. Staatliche Massnahmen tragen auf sechs verschiedenen Wirkungspfaden zu dieser Situation bei.
  3. Kostenwahrheit ist eine zentrale Voraussetzung für Effizienz und Fairness. Ohne Kostenwahrheit bestehen Anreize, Ressourcen zu verschwenden, Wettbewerbe sind verzerrt und Individuen werden zur Übernahme von Kosten gezwungen, die andere verursachen. Gesellschaftlich unerwünschtes statt erwünschtes Verhalten wird finanziell belohnt und sozial anerkannt.
  4. Kostenwahrheit ist eine zentrale Voraussetzung, um die Nachhaltigkeitsziele der Agrar- und Ernährungspolitik zu erreichen.
  5. Im Gegensatz zum Verkehrsbereich liegen keine offiziellen Informationen zu Gesamt-kosten und Kostenträgern der Landwirtschaft und Ernährung vor.

Hinsichtlich einer Umsetzung von (mehr) Kostenwahrheit gelangte die Studie zu einer Reihe von Ergebnissen und Handlungsempfehlungen:

  1. Der Übergang zur Kostenwahrheit ist ein weiter Weg und eine langfristige Aufgabe, die Übersicht, Vorarbeiten, Etappierung und internationale Zusammenarbeit erfordert.
  2. Grundsätzlich geht es darum, (a) die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz mit dem nationalen Umweltrecht und (b) den Nahrungsmittelkonsum mit den globalen Klima- und Umweltvorgaben in Einklang zu bringen – beides auf der Basis von Kostenwahrheit.
  3. Die (impliziten) Nutzungsrechte der Landwirtschaftsbetriebe an den Ressourcen, die bestimmen, wie weit Produzenten ohne Kostenfolgen Umweltbelastungen verursachen dürfen, haben sich an den Umweltzielen zu orientieren. Ein brauchbarer Ausgangs-punkt für die Festlegung zielkonformer Nutzungsrechte ist die Nutzung der Ressourcen nach guter fachlicher Praxis ohne überregional zugeführte Produktionsmittel. Die externen Kosten von Produktionsweisen, die über die Nutzungsrechte der Betriebe hinausgehen, sind ihren Verursachern anzulasten. Leistungen, die über die Vermeidung von umweltrechtlich relevanten Umweltbelastungen hinausgehen und nicht als Nebeneffekte einer rentablen Produktion von Marktgütern erbracht werden können, sind zu entschädigen.
  4. Auf der Ebene des Konsums sind auch die weitergehenden externen Kosten der Ernährung ihren Verursachern – den Konsumentinnen und Konsumenten – anzulasten.
  5. Die Umsetzung von Kostenwahrheit erfordert zahlreiche neue Massnahmen. Prioritär sind aber die heutigen und aktuell geplante Massnahmen zu überprüfen und auf mehr Kostenwahrheit auszurichten. Abweichungen vom Grundsatz der Kostenwahrheit bedürfen einer sehr guten und ausführlichen Begründung, um die gesellschaftliche Akzeptanz von Kostenwahrheit nicht insgesamt zu gefährden.

Der Projektbericht wurde im Sinn eines Beitrags zur Meinungsbildung in der Bundesverwaltung verfasst. Darin enthaltene Auffassungen sind nicht notwendigerweise diejenigen des Auftraggebers oder der Begleitgruppe.

Projekttitel
Kostenwahrheit als Schlüssel zu einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft

Finanzierung
Bundesamt für Umwelt (BAFU)

Projektdauer
März 2021 – September 2021

Kooperation
Ö&L GmbH

Projektleitung
Prof. Dr. Felix Schläpfer

Produkte
Verwaltungsinterner Bericht zuhanden des Bundesamts für Umwelt (BAFU)
Verwaltungsinternes Kolloquium / Workshop (Bundesamt für Umwelt und Bundesamt für Landwirtschaft)

Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Prof. Dr. Felix Schläpfer

Prof. Dr. Felix Schläpfer

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