Junge

Was versteht man unter «Young Carers»?

Wenn Eltern, Geschwister oder Grosseltern körperlich oder psychisch erkranken oder gar sterben, hört die Kindheit auf, unbeschwert zu sein. Oft schultern Kinder und Jugendliche dann Aufgaben, die normalerweise Erwachsene übernehmen müssen: Sie sorgen und kümmern sich um ihre Angehörigen – und manchmal übernehmen sie sogar Pflegeaufgaben wie Medikamente verabreichen oder Infusionen setzen. Meist wissen nicht einmal ihre Lehrpersonen oder Lehrmeister, was sie nebst Schule und Ausbildung zusätzlich leisten.

Pflegende Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene – im Fachjargon Young Carers und Young Adult Carers genannt – sind seit 2014 ein zentrale Forschungsthema an der Careum Hochschule Gesundheit.


Erste Zahlen dank Umfragen

Bis anhin fehlten genaue Zahlen darüber, wie viele Kinder und Jugendliche in der Schweiz betroffen sind. Andere Länder haben einen Forschungsvorsprung. In Grossbritannien wird beispielsweise seit über 25 Jahren zu pflegenden und betreuenden Kindern und Jugendlichen geforscht. Zwei grosse nationale Online-Befragungen liefern nun erstmals verlässliche Daten für die Schweiz. In einer schweizweiten Online-Erhebung wurden Kinder von 10 bis 15 Jahren an 230 Schulen online befragt. Bisher nahm man an, dass der Anteil der pflegenden und betreuenden Kinder in der Schweiz bei circa vier bis fünf Prozent liege – analog zu anderen Ländern, für die bereits Studien vorliegen. Nun muss dieser Wert nach oben korrigiert werden. Es sind fast acht Prozent Kinder und Jugendliche, die Angehörige betreuen oder pflegen und zwar etwas mehr Mädchen als Jungen.

3518 Fachpersonen aus dem Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich gaben in einer weiteren Online-Umfrage darüber Auskunft, was sie über Young Carers wissen und wie oft sie im beruflichen Kontext Kindern und Jugendlichen mit Pflegeaufgaben begegnen. Die Umfrage-Ergebnisse zeigen, dass Fachpersonen noch (zu) wenig vertraut sind mit dem Phänomen Young Carers. Nachdem ihnen aber die Begrifflichkeiten genauer erklärt wurden, gaben 40 Prozent der Befragten an, im Berufsalltag jungen Menschen begegnet zu sein, auf die diese Beschreibung zutrifft. Dies erstaunt nicht: Young Carers sind im Alltag unauffällig. Sie empfinden ihre Situation als normal und nehmen kaum Hilfe in Anspruch – nicht selten auch aus Scham. So fallen sie im Schulalltag oft erst auf, wenn sie beispielsweise unter Konzentrations- oder Schlafmangel leiden oder ihre Schulleistungen schwächer werden. Allgemein wünschten sich Fachpersonen mehr Informationen und spezialisierte Weiterbildungsangebote, um früher auf betroffene Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu werden und gezielt auf sie eingehen zu können.

Diese Ergebnisse sind ein erster wichtiger Schritt, um auf die Situation der Young Carers in der Schweiz aufmerksam zu machen. Es braucht dringend politische und gesellschaftliche Massnahmen, damit Young Carers in der Schule, Ausbildung und Beruf zukünftig besser unterstützt werden. Daher engagiert sich die Careum Hochschule Gesundheit auch in den kommenden Jahren: In verschiedenen nationalen und internationalen Folgeprojekten wird über das wichtige Thema geforscht, und es werden mögliche Lösungen und Hilfestellungen entwickelt.


Bundesratsbericht

An seiner Sitzung vom 5. Dezember 2014 hat der Bundesrat als Teil seiner gesundheitspolitischen Prioritäten «Gesundheit2020» den «Bericht zur Unterstützung von betreuenden und pflegenden Angehörigen» verabschiedet. Der Bundesrat hält klar fest, dass die Pflege und Betreuung kranker Familienmitglieder durch Angehörige wegen der demografischen Entwicklung künftig noch wichtiger wird. Insbesondere, da dem Schweizer Gesundheitssystem das nötige Personal und Geld fehlt, um den Mehrbedarf mit professioneller Pflege abdecken zu können. Der Bundesrat hat deshalb verschiedene Massnahmen lanciert, um Angehörige zu unterstützen und die Vereinbarkeit von Angehörigenpflege und Erwerbsfähigkeit zu fördern.

Erfahren Sie mehr zum Bericht des Bundesrates

Postulat zu pflegenden Kindern

Am 2. September 2015 nahm der Bundesrat Stellung zu einem Postulat von CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer. Sie regte einen Bericht zur Situation minderjähriger Kinder und Jugendlicher an, die erkrankte Eltern pflegen. Dieses Thema werde zwar im Bericht vom 5. Dezember 2014 erwähnt, aber es werde nicht näher darauf eingegangen. Der Bundesrat lehnte das Postulat mit der Begründung ab, er werde im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplanes zur Unterstützung von betreuenden und pflegenden Angehörigen den spezifischen Bedürfnissen der betreuenden und pflegenden Kinder und Jugendlichen besondere Aufmerksamkeit schenken.

Erfahren Sie mehr zum Postulat in der Geschäftsdatenbank des Nationalrats

Förderprogramm «Entlastungsangebote für betreuende Angehörige 2017-2020»

Das Förderprogramm «Entlastungsangebote für betreuende Angehörige» des Bundesamtes für Gesundheit erforschte die Situation und die Bedürfnisse von betreuenden und pflegenden Angehörigen. Dies soll der Weiterentwicklung von Entlastungsangeboten dienen; mit dem Ziel, dass betreuende Angehörige ihre Erwerbstätigkeit beibehalten können. Für die Schweiz wurde eine repräsentative Bevölkerungsbefragung von betreuenden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit oder ohne Erwerbstätigkeit durchgeführt.

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