Forschungskolloquium Zwang im Völkerrecht: Was die Reaktionen von Staaten auf politischen und wirtschaftlichen Druck über das Interventionsverbot aussagen
27.05.2025 12:30 - 13:30, Hybrid: Kalaidos Fachhochschule, Raum 404 und online via Zoom
Staaten reagieren auf politischen und wirtschaftlichen Druck mit völkerrechtswidrigen Massnahmen – ist das Interventionsverbot überholt?
Das völkerrechtliche Interventionsverbot verbietet die Anwendung von Zwang, um einen anderen Staat zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen zu bewegen – und soll kleine Staaten vor den Grossen schützen. Nichtsdestotrotz nutzen die USA aktuell ein ganzes Arsenal an politischen und wirtschaftlichen Druckmassnahmen, um anderen Staaten ihren Willen aufzudrängen.
Neben den sogenannten reziproken Zöllen gehören dazu auch implizite Drohungen – etwa der Griff zu militärischen Mitteln im Kontext der Grönlandfrage oder der temporäre Stopp von Geheimdienstinformationen im Streit um ukrainische Rohstoffe. Ab welchem Intensitätsgrad allerdings nicht-militärischer Druck gegen das Interventionsverbot verstösst – und somit völkerrechtswidrig ist – ist höchst umstritten.
Die Analyse der Reaktionen von Staaten auf derartige Druckmittel zeigt: Nicht-militärischer Druck vermag stark in die nationalen Entscheidungsprozesse einzugreifen. Auch wenn nicht immer das verfolgte Ziel erreicht wird – der betroffene Staat also Konzessionen eingeht – so zeigt sich, dass damit eine echte Gefahr für das regelbasierte globale System einhergeht. Über völkerrechtswidrige Reaktionen auf nicht-militärischen Druck kann ein «Doom Loop» ausgelöst werden, der zur Erosion der Rechtsstaatlichkeit in den internationalen Beziehungen führt.
Es wird deshalb einerseits vorgeschlagen, den vom Interventionsverbot verlangten Intensitätsgrad von völkerrechtswidrigem Zwang zu präzisieren. Anderseits liesse sich die Gefahr eines «Doom Loops» durch kollektive Massnahmen der internationalen Gemeinschaft zum Schutz bedrängter Staaten substanziell reduzieren.
Wir freuen uns auf die gemeinsame Reflexion und einen angeregten Austausch mit Ihnen!
Wann?
Dienstag, 27. Mai 2025, 12.30–13.30 Uhr
Wo?
Kalaidos Fachhochschule, Jungholzstrasse 43, 8050 Zürich, Raum 404 oder online via Zoom
Wer?
Prof. Dr. Charlotte Sieber-Gasser, Professorin für Völkerrecht, Europarecht und öffentliches Wirtschaftsrecht an der Kalaidos Fachhochschule in Zürich
Charlotte Sieber-Gasser promovierte 2014 am World Trade Institute der Universität Bern zu Freihandelsabkommen zwischen Entwicklungsländern und habilitierte 2025 an der Universität Bern zu den Auswirkungen der Internationalisierung des Rechts auf die schweizerische Staatsordnung. Sie ist Expertin für internationale Handelsabkommen, Nachhaltigkeitsrecht und die demokratische Verankerung von Völkerrecht und lehrt neben der Kalaidos (FH) Law School an der Universität Zürich Wirtschaftsvölkerrecht und an der ZHAW Umweltvölkerrecht. Daneben forscht Charlotte Sieber-Gasser als Senior Researcher im SNF Sinergia Forschungsprojekt «Making Trade Agreements Work in the Service of Society» am Centre for Trade and Economic Integration, Geneva Graduate Institute.