Anne-Catherine-Hahn

Frau Hahn, wo sehen Sie die Rolle von Fachhochschulen wie der Kalaidos Fachhochschule in der Aus- und Weiterbildung im Bereich Recht und Compliance?
Eine grosse Stärke der Fachhochschulen sehe ich in der Interdisziplinarität. Sowohl die Dozierenden als auch die Studierenden bringen ganz unterschiedliche Erfahrungen mit, was es erlaubt, konkrete Fragestellungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und voneinander zu lernen.

Die fortschreitende technologische Entwicklung zieht neue, komplexe Regulierungen nach sich; denken Sie nur an die Bereiche Datenschutz, Cybersicherheit oder den Umgang mit künstlicher Intelligenz. All diese Entwicklungen bringen neue Rechtsrisiken und Compliance-Erfordernisse mit sich, und dafür braucht es interdisziplinäre Aus- und Weiterbildungsangebote, für die Anbieter wie die Kalaidos Fachhochschule aus meiner Sicht ideal positioniert sind.

Was für aktuelle Bedürfnisse bestehen heutzutage seitens Wirtschaft in den Bereichen Recht und Compliance?
Tempo und Dichte der Regulierung haben stark zugenommen; globale Vorgaben spielen eine grössere Rolle als früher. Vor allem grosse Unternehmen stehen zudem unter permanenter Beobachtung. Behörden und Öffentlichkeit haben sehr hohe Erwartungen an ethisches und regelkonformes Verhalten, und Unternehmen müssen darauf vorbereitet sein, bei Bedarf rasch Antworten geben zu können.

Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, müssen rechtliche Risiken zunächst einmal systematisch erfasst und bewertet werden. Diese Einschätzungen müssen sodann in die Geschäftsentscheide einfliessen, und es müssen adäquate Massnahmen ergriffen werden, um die Wahrscheinlichkeit bzw. die möglichen Konsequenzen von Rechtsverstössen möglichst zu reduzieren. Dazu gehört auch die Vorbereitung auf den Krisenfall, etwa indem im Vorfeld abzuklären ist, wie die eigene Geschäftsaktivität im Fall eines Cyberangriffs weiterbetrieben werden kann.

Sie sind als Wirtschaftsanwältin und Prozessrechtsexpertin bei Wartmann Merker in Zürich tätig. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der juristischen Berufsbilder vor dem Hintergrund der aktuellen Trends?
Wie in anderen wissensbasierten Berufen führt der wachsende Einfluss von Technologie zu Veränderungen. Bei Wartmann Merker helfen wir Unternehmen und Privatpersonen, in schwierigen Situationen massgeschneiderte Lösungen zu finden, insbesondere auch vor Gerichten und Behörden. Dafür braucht es neben juristischer Erfahrung und kommunikativen Fertigkeiten ein Verständnis der individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Klienten.

Daneben geht es im Rechtsberatungsmarkt zunehmend aber auch um IT-basierte Lösun-gen, mit deren Hilfe z.B. Standardverträge automatisch generiert, Dokumente analysiert oder regulatorische Prozesse umgesetzt werden können. Derartige Prozesse und Applika-tionen sind aufwändig zu entwickeln und auf Skalierbarkeit angelegt. Es geht darum, juristische Lösungen zu standardisieren und zu automatisieren. Dafür braucht es spezifisches Know-how, und der Investitionsbedarf ist relativ gross. Infolgedessen sind in diesem Segment weniger traditionelle Anwaltskanzleien, sondern vor allem andere Beratungsunter-nehmen und IT-Anbieter tätig.

Mittelfristig stellt sich die Frage, inwiefern sich durch diese Entwicklungen unsere Denk- und Arbeitsweise verändern wird, und wie technologiebasierte Lösungen unter Wahrung der regulatorischen Rahmenbedingungen (Datenschutz, Cybersicherheit, Standesrecht etc.) in die klassische Beratung integriert werden können. Die laufenden Diskussionen um ChatGPT zeigen, dass hier vieles im Fluss ist und sich zahlreiche neue Fragestellungen ergeben. Es bleibt also auf jeden Fall spannend!


Dozentin
Reto-Arnold

Dr. iur. Anne-Catherine Hahn

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CAS FH in Risiko Management und Compliance

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