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Bilanzstrukturmanagement ist gerade in volatilen Zeiten von grösster Bedeutung (Symbolbild).

Wer erinnert sich noch an den Zusammenbruch der Spar- und Leihkasse Thun? Letzte Woche wurde vor den Auswirkungen von ablaufenden Obligationen auf der Passivseite der Bankbilanz für die Geschäftsresultate der Postfinance gewarnt. Was haben diese beiden Themen mit dem Bilanzstrukturmanagement – auf Englisch Asset- & Liability Management (ALM) – zu tun? Und warum ist ALM heute so bedeutsam? Marco Seeliger, Director Solution Management bei Sungard Ambit Risk & Performance, erläutert die Zusammenhänge in einem Interview.

Wer sollte sich mit ALM beschäftigen und warum?

ALM ist ein zentraler Bestandteil des modernen Bilanzmanagements. Am Ende des Tages werden alle Bereiche innerhalb einer Bank mit ALM in Berührung kommen. Von besonderer Notwendigkeit ist ALM jedoch für Personen, die sich mit der operativen und strategischen Positionierung der Bilanz befassen. Dies umfasst vor allem die Mitglieder der Geschäftsleitung, das Treasury, Risiko- und Finanzcontrolling sowie neu auch das Meldewesen einer Bank.

Warum ist ALM heute so wichtig?

In den letzten Jahren war die Volkswirtschaft in unseren Breitengraden mit einem Regime negativer Zinssätze belegt. Vor allem für Banken und Finanzinstitute und deren Asset- & Liability Management stellt dies eine enorme Herausforderung dar, weil die Bilanzsteuerung unter negativen Zinsen zum Teil anderen Regeln folgt. Ein konkretes Problem ist zum Beispiel der Druck auf die Zinsmarge, der dadurch hervorgerufen wird, dass die Durchschnittsverzinsung der Aktiven in weiterem Ausmass nach unten gedrückt wird als dies auf Passivseite geschieht.

Ein weiteres Beispiel sind gestiegene Absicherungskosten: Jede Absicherung, die heute mittels eines Payer-Swaps getätigt wird, kostet die Bank solange der 3-Monats-Libor negativ ist. Dies drückt zusätzlich auf die Zinsmarge. Stellt sich also die Frage, ob Absichern aktuell überhaupt eine Option ist.

Was sind mögliche Gefahren von fehlendem ALM bezogen auf das heutige Umfeld?

Ohne ein klares Verständnis hinsichtlich der Bilanzstruktur können im aktuellen Zinsumfeld viele Fehler gemacht werden. Zum einen ist die Sensitivität von zu vielen Sondereffekten beeinflusst, so dass die Gefahr einer Fehlabsicherung besteht. Zum anderen lassen die volkswirtschaftlichen Signale sowie die Stimmen der Zentralbanken auf ein Steigen der Zinsen in absehbarer Zeit hoffen. Ein Zinsanstieg eröffnet jedoch nicht nur Möglichkeiten, sondern birgt auch die Gefahr, dass bei Fehlpositionierung der Nettozinsertrag durch ansteigende Kosten auf der Refinanzierungsseite stark in Mitleidenschaft gezogen wird.

Welches sind Kernmethoden für erfolgreiches ALM?

Sowohl die barwertige/sensitivitätsbasierte Steuerung als auch die Zinsertragssimulation können als Kernmethoden für ein erfolgreiches ALM bezeichnet werden. Wichtig ist, dass diese beiden Methoden als komplementär zueinander gesehen werden und die Steuerung nicht isoliert nach einer der beiden Methoden erfolgt. Dies hat auch der Regulator erkannt und fordert in der neuen Regulation für Zinsrisiken im Bankenbuch eine duale Steuerung und Risikomessung gemäss den beiden Methoden.

Durch regulatorische Initiativen der letzten Jahre muss heute eine Reihe zusätzlicher Elemente im ALM berücksichtigt werden. Prominente Beispiele sind das Liquiditätsrisiko, vor allem LCR und NSFR, sowie das Funds Transfer Pricing (FTP). Perspektivisch wird auch das Kreditrisiko eine stärkere Berücksichtigung im ALM finden.

Was würden Sie Geschäftsleitungen raten in Bezug auf ALM?

ALM ist in vielerlei Hinsicht eine Mischung aus Analyse der Bilanzstruktur und den Erwartungen an die Entwicklung des ökonomischen Umfeldes. Es ist für die Geschäftsleitung unabdingbar zu verstehen, welche Portfolios aus einer Risiko- und Ertragsperspektive massgeblich sind und wie sich diese unter verschiedenen Szenarien verhalten. ALM entspricht dem Denken in Szenarien. Das Timing ist hierbei ebenso kritisch wie die konsequente Umsetzung der geplanten Massnahmen.

Marco Seeliger ist Director Solution Management bei Sungard Ambit Risk & Performance und gleichzeitig der inhaltliche Leiter des neuen CAS in Asset- & Liability Management für Banken am SIF der Kalaidos Fachhochschule.

Autor/in
Prof. Dr. Bernhard Koye

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